Durchs Dröhnland: Der krude Rest
■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche
In den unendlichen Weiten des Daseinszustands der elektrischen Gitarre gibt es immer noch Ecken, die zu entdecken einem leicht einen dicken Kopf besorgen kann. Wenn die Country Teasers Blues- oder auch Rock 'n' Roll-Harmonien aus der Steinzeit auf ihre Trashfestigkeit überprüfen, wenn drei Gitarren irgendwie unbestimmt verstimmt miteinander rüde turteln, wenn Sänger Ben Wallers nölt, als stünde er an TOMs Postschalter, dann werden die Beasts of Bourbon oder selbst die Cramps sehr schnell zu Chorknaben.
Vielleicht ist es aber auch nur ein guter Witz. Oder gar auch die Wiederauferstehung von Hank Williams, denn möglicherweise würde der große Tote heute so klingen. Den alten Country-Gassenhauer „Stand By Your Man“ ziehen sie jedenfalls aus bis aufs Gerippe, und übrig bleibt ein häßlicher kleiner Vogel. An „Wanderin' Star“ haben sie sich gleich auch noch textlich vergriffen. Hier spaziert kein heller Stern, statt dessen heißt es „Black Cloud Wandering“.
Mit Porno Pop, 13.12., 22.30 Uhr, Roter Salon, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
Nicht noch eine Lobeshymne auf die bösen schwarzen Löcher, die ein Herr Bill Callahan Songs nennt, aber es soll doch Hochachtung ausgedrückt werden für Menschen, die so unverschämt ihr abgründiges Seelenleben nach außen kehren. Als Smog lotet er wie im Trockenversuch aus, was dann gruselig blutige Ergebnisse in den bunten Bildern von Boulevardmagazinen zeitigt. Über bleiern tröpfelnden Tönen erzählt Callahan von verbotenen Sensationen, wie in der Post fremder Menschen herumzuwühlen, erzählt von Liebe, die immerzu zu Sklaverei werden möchte, und der Rest ist völlig krude.
Mit hübsch abgestandener, freundlicher Melancholie hat das nichts mehr zu tun, so leid es mir tut. Dies hier sind Abgründe, auf die man sich hin und wieder durchaus einlassen sollte. In einem Interview hat Callahan dann noch gesagt: „Ich wäre gern an einem Ort, wo ich zu Hause sein kann.“ Wie es aussieht, wird er noch eine Weile auf der Suche sein.
13.12., 21 Uhr, Huxley's Cantina, Hasenheide 108–114
Sanft rollen die Beats, weich schwebt dort ein Sample an die Oberfläche, rotieren hier vorsichtig afrikanische Chöre, da ein butterweicher Refrain. Ein wenig hinterlistig das, denn das ist nur die Schafswolle für den Straßenkämpferwolf. Wahre Schule nennt sich das Kreuzberger Projekt, das heute die Veröffentlichung seiner ersten Vollzeitplatte „In falschem Geruch von Ghetto hier?“ feiert.
In den lieblich dahinzuckernden HipHop fallen die Worte wie der Vorschlaghammer in die Torte. Viele Worte, die mal versuchen, den aktuellen Zustand der Republik zu ergründen, mal sich der lokalen Politik widmen. Nur selten geht es auch ein wenig selbstironisch zu, aber meistens sind die Feindbilder klar und festverwurzelt von liberal bis rechts. Fazit: „Was liegt weiter weg als bessere Zeiten / Was zeigt konkret den Dreck in diesen Breiten?“ Die Antwort sind natürlich sie selbst.
13.12., 22 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68
Jenseits der inzwischen schon fast zu Weltruhm gelangten Hamburger Diskurskünstler gibt es offensichtlich auch noch einen Haufen ganz fideler Sperrigkeiten dort oben am Hafen. Die personellen Verquickungen sind dabei so zahlreich wie die musikalischen Stile, was von a capella vorgetragenem Thrash- Metal über verwegen zerrissenes akustisches Geschrammel bis zu in diesem Zusammenhang recht gewöhnlichem Noiserock reicht.
Manchmal werden auch nur einfach Geschichten vorgetragen. An diesem Abend eröffnen Happy Grindcore, Unhold und Teer Gleene Muck die wunderbare Welt des Underunderground.
13.12., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56
Daß sie in Südamerika ganz gerne Metal hören, weiß man spätestens seit den Rio-Festivals. Und daß sie selber welchen machen können, seit Sepultura. Laberinto aus Venezuela aber sind unter den wenigen, die versuchen, den Metal mit der eigenen Volksmusik zu verschmelzen. Was zuerst wie ein Witz klingt, funktioniert erstaunlich gut, auch wenn mir nicht ganz klar ist, wie man Schweinesoli, Death-Metal-Gitarren und Kotzgesang halbwegs vernünftig mit Sambarhythmen, Indiogesängen und überhaupt haufenweise Perkussion zusammenbringen kann, ohne daß es sich penetrant nach Santana anhört.
14.12., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Ab und zu ist so ein einfacher Melodycore doch eine nette Erholung. China Drum haben mehr als sechs Jahre für ihr Debütalbum gebraucht, aber das ist dafür auch so nett geworden, daß sie auf der Green-Day-Leiter gleich aufs oberste Treppchen springen. Die Engländer wissen noch, wie man Wände aus Gitarren baut, sie haben keine Angst vor Einsfuffzichmelodien, wissen zum Glück nicht, wie man Crossover oder gar Avantgarde buchstabiert, und scheinen einfach drei wohlerzogene Jungs zu sein, die ihren Spaß haben.
16.12., 21 Uhr, Knaack
Sie posieren mit Bohrmaschinen und anderem schweren Gerät, tragen grobe, karierte Hemden, Sonnenbrillen, Pseudonyme oder gleich Tücher vorm Gesicht. Viel weiß man nicht, aber das doch: Tüchel kommen aus der Schweiz, jagen einen stumpfen Hardcore durch die Boxen und sind noch der Meinung, daß es sich lohnt, Politiker zu beschimpfen. Jugendlicher Irrsinn in entsprechender Geschwindigkeit, inklusive Endzeitstimmung als Pose, die komischerweise nie ihren Reiz verliert.
19.12, 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei! Thomas Winkler
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