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Durchs DröhnlandUgly Americans und der Wille zum PlüschHop

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Als in den amerikanischen Wüsten noch schwer was los war, weil die sich dort tummelnden Musikanten von Giant Sand oder Thin White Rope oder Naked Prey sich keinen Sonnenuntergang entgehen lassen wollten, klopfte Rich Hopkins mit den Sand Rubies schon jahrelang seine Gitarre quer durch Arizona.

Nach einem Zwischenspiel als Woodcock fährt er nun als Rich Hopkins & Luminarios die staubige Straße von seiner Heimatstadt Tucson nach „El Paso“. Whiskeytrinken beschleunigt ganz bestimmt das ehrenvolle Altern, weswegen Hopkins auch weiter die Gitarren sehnsüchtig verzerren darf, damit das Flirren heißer Luft niemals aufhören möge.

Granfaloon Bus dagegen kommen aus San Francisco, was sich dann auch etwas großstädtischer anhört. Zumindest tun sie so, als würden sie sich von der Romantik aus zweiter Hand nicht völlig überwältigen lassen. Was bei Hopkins noch ganz und rund ist, fällt bei Granfaloon Bus auseinander in viele kleine Töne, als wäre der Traum von der unendlichen Weite und der unendlichen Freiheit nun doch zerbrochen.

31.1., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Einen sehr zurückgelehnten Gitarrenpop spielen Worldcup und lassen sich dabei nur selten von lärmverliebten Gitarren durcheinanderbringen. Im Studio lassen sie sich zwar ein wenig modischen Schnickschnack aus dem Sampler dazumischen, aber nichts läge ihnen ferner, als die heiligen Gesetzmäßigkeiten des klassischen Songwriting anzutasten.

31.1., 24 Uhr, Café Swing, Nollendorfplatz

Ganz sicher recht haben Antiseen, wenn sie grunzen: „We're ugly Americans.“ Ihre neue Plattenfirma versucht, als Punkrock zu verkaufen, was eigentlich dummdreister Blödbratzmetal ist. Außergewöhnlich an dem Quartett aus Charlotte waren allerdings immer nur die fies durchgescheuerten Stimmbänder von Jeff Clayton. Aber irgendwann ist man aus dem Alter raus, wo einen so was noch erschrecken kann. Coverversionen von Alice Cooper und Lynyrd Skynyrd machen die Redneck-Parodie komplett.

1.2., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41

Diese Band konnte so schnell gar nicht Uuups sagen, da hatte sie schon einen Vertrag mit einer der größten Plattenfirmen im Lande. be kommen aus Hannover und hören sich an wie ein von der Industrie gestyltes Produkt, wie ein Gemischtwarenladen aus gemütlichem JazzHop und knallendem Schweinefunk, schwer dampfendem Rock-HipHop- Crossover, schunkelnder Barmusik und bis zum Klischee verkifftem Reggae. Dann covern sie noch „Castles Made Of Sand“, daß Hendrix sich wundern würde, wie knutschkitschig man dieses Lied spielen kann, bevor die unvermeidliche Gitarre aufjault. Nichts für Puristen ganz sicherlich. Außer Techno und seinen Spielarten lassen be nichts aus, was momentan gute Verkäufe verspricht. Wenn sie nicht gemacht wurden, sind sie doch zumindest der Traum eines jeden Talentscouts. Aber vielleicht sind sie ja auch einfach ein Ausbund an jugendlicher Unbekümmertheit, die sich einen Dreck um Traditionen schert. Vielleicht haben sie auch einfach ihren Spaß. Ich hatte meinen komischerweise auch.

2.2., 21 Uhr, Huxley's Cantina, Hasenheide 108–114

The Alarm waren so eine Art U2 für Arme, wurden aber meist von den Leuten gehört, denen selbst New Wave schon zu gefährlich war, die sich aber auch mal die Haare auftoupieren lassen wollten. Hervorgegangen waren sie bezeichnenderweise aus einer Band namens The Toilets. Ende mit Alarm war 1991, und Sänger Mike Peters hat sich inzwischen die krebsverseuchten Lymphknoten rausnehmen lassen. Der Mann ist also nicht mehr ganz der Alte: Zwar rotieren auch auf seinen Solo-Platten die akustischen Gitarren episch, aber wenn es früher „Marching On“ hieß, singt er heute von seinen Calvin Kleins. Die Mundharmonika darf nicht fehlen, aber manchmal wird er ganz schön rührselig. Aber wie er den Grandmaster-Flash-Klassiker „The Message“ zur Folkrock- Hymne verhackwurstet, ist wirklich schmerzhaft.

4.2., 21 Uhr, Knaack

Ich persönlich sehe bei Lamb zwar jetzt nicht den großen Unterschied zu Portishead und warum das englische Duo so ausdrücklich großartig sein sollte, aber schön kuschelig sind sie schon. Zum vollständigen PlüschHop fehlt ihnen zwar der Wille, statt dessen splittern ein paar fiese Geräusche nicht allzu unfreundlich daher und sorgen für avantgardistische Fassade, aber richtig tanzen kann man dazu auch nicht. Wenn die allernächste Zukunft der populären Musik wirklich im Drum 'n' Bass liegt, soll es mir recht sein, solange das Zeugs so gut wie Lamb ist.

6.2., 20.30 Uhr, Loft

Aus den romantischen Spinnern von De La Soul, die schon mal Geräusche aus Comic-Serien sampleten, sind drei ältere Herrschaften geworden, zumindest eingeholt, wenn nicht sogar überholt von den aktuellen Entwicklungen im HipHop. Neun Jahre liegt ihr richtungweisendes Debüt „3 Feet High and Rising“ nun bereits zurück, das allein schon durch das damals frechbunte Cover einen Neuanfang einläutete. Schnell aber hatten sich die drei aus Long Island aus dem selbst ausgerufenen Daisy Age verabschiedet. Spätestens „Stakes Is High“ vom letzten Jahr trug schon allein mit seiner schwarzweißen Verpackung die alten De La Soul endgültig zu Grabe. Statt dessen furztrockene Beats und ungeahnt zurückgelehntes Rapping, das sich erst gar nicht am modischen Streit zwischen Ost- und Westküste beteiligen wollte. Nur noch in klitzekleinen Zwischenräumen zischeln ein paar jener phantasievollen Geräusche, für die sie gefeiert wurden. Was bleibt, ist eine herausragende HipHop-Platte, vielleicht nicht ganz auf der Höhe der Zeit, aber völlig zu Unrecht ignoriert. Was immerhin den Vorteil hatte, daß ich sie wenige Wochen nach Erscheinen bereits secondhand erwerben durfte.

6.2., 21 Uhr, Huxley's Thomas Winkler

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