Durchs Dröhnland: Der Songwriter am Straßenrand, unkontrolliert
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Hank McCoy, der eigentlich mal als amerikanischer Alternativrocker angefangen hat, spielt mit seinen Dead Ringers einen liebevollen Country, der manchmal vor Ehrfurcht erstarrt, aber halt auch noch nicht zur Nashville-Seifenoper verkommen ist.
Inzwischen hat er sich in Köln verliebt und niedergelassen und lernte dort Peta Devlin von Die Braut Haut Ins Auge und den überzeugten Country-Hasser Eckhard Heins kennen. Beide wurden missioniert, und zu dritt stellt man sich nun auf die Bühne, um zu sehen, was bei solchen gebrochenen Biographien rauskommt.
Mit Fink (HH), 28.2., 22.30 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
Der Crossover zwischen Hardcore und HipHop findet meist auf einem recht kleinen gemeinsamen Nenner statt. Oft wird einfach gebollert und dazu etwas gesprechgesungen, was man nicht unbedingt Rap nennen kann. Umgekehrt macht die eine oder andere Metal-Gitarre aus einem netten HipHop nichts grundsätzlich anderes.
Anders bei Such A Surge, die mit dafür verantwortlich sind, daß Braunschweig zur Hardcore- Hochburg der BRD wurden. Die haben das Problem ganz einfach gelöst und spielen einmal einen primitiv stampfenden Punkrock und dann hinterher vielleicht sogar was Schmusiges mit richtig Groove und Arschwackeln. Hin und wieder tauchen die beiden Elemente auch in ein und demselben Song auf, aber bleiben trotzdem weiter fein säuberlich getrennt. Crossover kann man das eigentlich nicht nennen, aber bei wem dieselben beiden Herzen in einer Brust schlagen, der kann es gut verstehen. Bei Nastasee sind die Dinge einfacher gestrickt, die wollen nur Hardcore. Der ist zwar manchmal etwas verzögert und hat ein paar Dinge vom Metal gelernt, ist aber vor allem tauglich zum Headbanging. Und wer sich den Kopf freigeschüttelt hat, darf dann bei einer Schunkelhymne wie „Why Can't We Be Friends“ mitsingen.
Die Hits für Skater und Bierselige schreibt übrigens Dan Nastasi, der bereits eine illustre Karriere hinter sich und bei Mucky Pup, Dog Eat Dog und Murphys Law reichlich Legendenbonuspunkte gesammelt hat.
28.2., 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190
Wer Iain Matthews beschreiben soll, geht immer noch mit Fairport Convention hausieren, der möglicherweise einflußreichsten, auf jeden Fall aber sagenumwobensten Folkrock-Band, die sie auf der Insel hervorgebracht haben.
Dabei war Matthews zwar Gründungsmitglied, aber nur gut ein Jahr Ende der 60er Jahre dort Sänger. So kann er sich aber immerhin guten Gewissens als Co- Erfinder des elektrifizierten Folk feiern lassen. Inzwischen lebt er in Texas, wußte sich rechtzeitig immer wieder abzusetzen, wenn eine seiner Bands zu erfolgreich zu werden drohte, und die Plattenfirmen kamen mit dem Verträge kopieren und in den Reißwolf stecken gar nicht mehr hinterher.
Was Matthews zuletzt produzierte, hat denn auch wenig mit seiner eigenen gloriosen Vergangenheit zu tun, sondern scheint sich eher an seiner Umgebung zu orientieren. Und da in Texas die Singer/Songwriter ja offensichtlich unkontrolliert am Straßenrand wuchern, läßt sich auch ein konvertierter Brite da irgendwie einordnen. Seine Band versucht zwar, einen gemächlich treibenden Klangteppich zu legen, der viel Platz für Texte und stimmlichen Ausdruck läßt, aber hinderlich bleibt, daß Matthews Organ auch 30 Jahre später immer noch viel zu nett und jugendlich klingt. All das Leben, Liebe, Leiden hat sich nicht in irgendwelchen Scharten niedergeschlagen, und da geht die Sache mit der Authentizität dann etwas verschütt.
1.3., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
Auch notorische Tanzmuffel, die Musik nur ertragen, wenn sie in Verbindung mit möglichst schwerblütigen Texten daherkommt, sollten sich vielleicht in den Milchhof wagen. Denn dort finden sich bei der Interzitty- Party neben der House-DJane Luka noch zwei andere Plattenaufleger ein: Oberblumfeld Jochen Distelmeyer und Tobias Levin von Cpt-Kirk &. Man hat also auf einem Haufen den bedeutendsten Dichter bzw. erfolgreichsten Musiker und den Chefideologen der Hamburger Schule. Was spielen die wohl für Platten? Wo kommt das alles her? Wird man irgendwelche Tracks erkennen? Oder blamiert sich sogar jemand?
1.3., 22 Uhr, Milchhof, Anklamer Str.29, 3. HH
Weil wir gerade einen Abstecher in die 60ies gemacht haben: Einer der wenigen guten Rocksongs aus dieser Zeit, der auch noch groovte, war „All Right Now“ von ein paar Langhaarigen mit gewaltigen Bärten, die auf den Namen Free hörten. Geschrieben und gesungen hat damals Paul Rogers, der dann schon bei seiner zweiten Station Bad Company die Meinungen teilte. Da war an die Stelle des Popappeal schnell die grundsolide Rockschaffe getreten, aber was so ein ehrlicher Rocker ist, der gibt nicht auf.
Nachdem sich Rogers zusammen mit Jimmy Page von Led Zeppelin als The Firm auch nicht gerade mit neuem Ruhm beklekkerte, taten sich Bad Company wieder zusammen, weil von irgendwas muß der Mensch ja leben.
Bis in die 90er schlugen sie sich durch, dann mußte man sie mit vernichtenden Kritiken zuscheißen, bevor sie schließlich die Combo zu Grabe trugen. Rogers gerade erschienene Solo-LP trägt zwar den hoffnungsvollen Titel „Now“, ist aber in jeder Beziehung Lichtjahre von aktuellen Entwicklungen entfernt.
4.3., 21 Uhr, Huxleys Neue Welt, Hasenheide 108–114
Vielleicht kam es mir nur so vor, aber ein gepflegter Thrash- Metal, der einem richtig schön die Gehirnwindungen weichklopft, schien ausgestorben zu sein.
Bevor ich überhaupt merkte, was ich da vermisse, kommen Marduk den ganzen langen Weg aus Schweden angereist, um mich zu erinnern. Irgendwie ist es doch tröstlich, wieder einmal bewiesen zu bekommen, daß eine ganz normale Rhythmusgruppe, nicht geklont und höchstens mit ein paar Aufputschmitteln behandelt, sich so anhören kann, als wäre die Beatbox der Pet Shop Boys durchgebrannt. Da tun Schlagzeuger und Bassist wenigstens noch was für ihr Geld. Und Sänger bezahlen jeden einzelnen Ton mit drei Tagen Lebenserwartung ihrer Stimmbänder. Musik mit Mut zum Risiko.
Tsatthoggua sind Landsleute von dir und mir, haben eine überaus geschmacklose S/M-Inszenierung auf ihrem Cover, ein paar Ethno-Chöre innendrin und fangen dann doch noch gerade rechtzeitig mit dem Kleinholzmachen an, bevor jemand aus dem Publikum zu laut dazwischengrölen kann.
6.3., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224 Thomas Winkler
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