Durchs Celler Loch ins BKA

Der abgehalfterte niedersächsische Skandalminister Hans-Dieter Schwind soll Nachfolger des BKA-Präsidenten Heinrich Boge werden / In Skandale und unwahre Aussagen verstrickt / Politische Karriere umstritten  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Der für das Celler Loch mitverantwortliche ehemalige niedersächsische Justizminister Hans-Dieter Schwind soll neuer Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) werden. Dem Bochumer Kriminologieprofessor Schwind, der in seiner vierjährigen Zeit als Landesjustizminister in zahlreiche unwahre Aussagen und Affären verstrickt war, hat Bundesinnenminister Zimmermann nach Informationen der 'Süddeutschen Zeitung‘ angeboten, Nachfolger des im März 1989 ausscheidenden BKA-Chefs Heinrich Boge zu werden.

Professor Schwind, der auch Vorsitzender der „Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt“ ist, dementiert ausdrücklich nicht, daß ein solches Angebot Zimmermanns bei ihm vor längerer Zeit eingegangen ist und fühlt sich auf den Posten des BKA-Chefs „gut vorbereitet“.

Zugang zum Kreis der Experten für „innere Sicherheit“ erlangte der Bochumer Kriminologie-Professor erstmals, als ihn Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht 1978 zum Justizminister berief. Zuvor hatte Albrechts eigentlicher Kandidat für diesen Posten, ein Göttinger Strafrechtsprofessor, abgelehnt.

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer 1978 führte Hans-Dieter Schwind erstmals die Öffentlichkeit bewußt hinters Licht. Auf einer Pressekonferenz am Morgen nach dem Anschlag des niedersächsischen Verfassungsschutzes auf das Celler Gefängnis machte Schwind „Terroristen“ für das Loch in der Gefängnismauer verantwortlich.

Vor dem Untersuchungsausschuß zum Celler Anschlag hat der Jurist Schwind sein Agieren auf dieser Pressekonfernz mit den Worten beschrieben: „Nach der Pressekonferenz war ich froh, daß mir keiner angemerkt hat, daß ich da nur eine Rolle gespielt habe.“ Schwind, der damals auch den Leiter der JVA-Celle vorab über den Verfassungsschutz-Anschlag unterrichtet hatte, erhob keine juristischen Einwände gegen den Anschlag und informierte nach der Sprengung auch nicht die ihm nachgeordneten Strafverfolgungsbehörden.

Daß der treue Diener Ernst Albrechts nur vier Jahre in Hannover als Justizminister amtierte, liegt an einer ganzen Reihe von Affären, in die sich der Professor verstrickte. „Schwind geht keinem Fettnapf aus dem Wege“, schrieb im Jahre 1981 sogar die CDU-freundliche 'Hannoversche Allgemeine Zeitung‘. Im Jahre 1979 erregte Justizminister Schwind beispielweise dadurch Aufsehen, daß er vor dem Gorleben-Treck nach Hannover vorsorglich 80 Gefängniszellen für festzunehmende Demonstranten räumen ließ. Als bekannt wurde, daß Schwind seinen Kabinettskollegen, den damaligen Kultusminister Werner Remmers, gedrängt hatte, seiner Frau eine Lehrerstelle in Niedersachsen zu besorgen, stritt der Justizminister alles ab. Werner Remmers bestätigte den Vorgang jedoch und strafte den Juristen Lügen.

Eine Lüge war Schwind auch nachzuweisen, als im Jahre 1981 gegen den heutigen Bundesvorsitzenden der Humanistischen Union, den Richter Ulrich Vultejus, disziplinarische Ermittlungen eingeleitet wurden, weil dieser eine Petition für einen abgelehnten DKP-Lehrer unterzeichnet hatte. Schwind erklärte damals, er habe keinerlei Weisungen gegeben, gegen Vultejus zu ermitteln. Kurz darauf erklärte der Vorgesetzte des Richters schriftlich, daß es ohne eindeutige Weisungen des Justizministers überhaupt nicht zu disziplinarischen Vorermittlungen in diesem Fall gekommen wäre.

Nachweisbar die Öffentlichkeit belogen hat der künftige BKA -Chef Schwind auch noch in einem weiteren Fall, als es galt, Ernst Albrecht in einem Streit mit dem damaligen Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel beizustehen. Schon im Sommer 1978 hatte Albrecht im Bundesrat „Sicherungsverwahrung für Terroristen“ verlangt. Er wisse von Mordplänen durch Terroristen, deren Entlassung aus der Haft bevorstehe, erklärte Albrecht damals. Schwind machte sich später diese Erzählungen Albrechts öffentlich zu eigen. Nachdem allerdings selbst Bundesanwalt Rebmann nach einer Reise nach Hannover keinerlei Mordpläne von einsitzenden Terroristen bestätigen konnte, war wiederum der Justizminister der Blamierte.

Aus der Versenkung tauchte der Skandalminister erst wieder auf, als er zum Vorsitzenden der „Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt“ berufen wurde, deren Einrichtung CDU und FDP nach der letzten Bundestagswahl vereinbart hatten. Die Riege von Experten, die Schwind dann allerdings gemeinsam mit dem Bundesinnenminister für diese Kommission zusammenstellte, war so rechtslastig, daß die FDP sofort protestierte und auf Nachbesserungen bestand.