Durch die Nacht mit... zwei Regisseuren: Auf dem Musikteppich durch Kairo

Der Regisseur Marwan Hamed aus Ägypten trifft seinen Kollegen Rafi Pitts aus dem Iran (Arte, 0.45 Uhr). Immer wieder taucht die Frage auf: Wird Ägypten jetzt ein zweiter Iran?

Rafi Pitts und Marwan Hamed cruisen durch das postervolutionäre Kairo. Bild: ZDF

Marwan Hamed hat den teuersten ägyptischen Film aller Zeiten gedreht und ist gerade mal Anfang 30. Natürlich war der Macher von "The Yacoubian Building" bei der Revolution in diesem Winter dabei, natürlich war er auf der Straße, wenn auch nicht an vorderster Front. Rafi Pitts ist zehn Jahre älter, drehte seinen letzten Film 2009 in Teheran. Just in dem Jahr also, in dem auch Millionen von Iranern auf die Straße gingen, um gegen den Wahlbetrug von Ahmadinedschad zu demonstrieren. Anders als in Ägypten wurde ihr Kampf für Demokratie blutig niedergeschlagen und die Zensur massiv verschärft. "The Hunter" katapultierte Pitts ins Pariser Exil. Die Bedrohung durch die iranische Regierung wendet er rhetorisch geschickt ins Positive: Natürlich werde er in sein Land zurückkehren, aber gerade sei er im Ausland nützlicher. Wie immer muss man bei Pitts auf den Subtext hören. Die Botschaft diesmal lautet: Ich komme wieder. Der Kampf ist noch nicht vorbei.

Auf Einladung des deutsch-französischen Fernsehsenders Arte treffen sich die beiden Filmemacher mit den so unterschiedlichen revolutionären Erfahrungen in Kairo und verbringen einen Abend miteinander. Sie kennen sich nicht, sie kennen ihre Länder nicht, sie treffen sich vor der Kamera zum ersten Mal. Und cruisen dann gemeinsam durch das postrevolutionäre Kairo, dessen Zukunft so ungewiss ist. Bis 23 Uhr haben sie Zeit, dann greift die Sperrstunde, wie Hamed im Auto seinem überraschten Kollegen leicht zerknirscht mitteilt. Die brutalen Zusammenstöße mit den Kopten dauerten an.

Hamed stellt Pitts Freunde und andere Aktivisten vor und immer wieder taucht die Frage auf: Wird Ägypten jetzt ein zweiter Iran? Die Parlamentswahlen stehen im September an und unter der Mubarak-Diktatur konnten sich nur die Islamisten organisieren. Alle anderen Parteien stecken entsprechend noch in den Kinderschuhen. Das ist ein Problem, wie Hamed lakonisch anmerkt. Pitts reagiert mit einer Fangfrage: Würdest du denn eine gewählte islamische Regierung akzeptieren? Subtext: Wie hältst du es mit der Demokratie? Hamed bleibt gelassen. Es gebe ja positive Beispiele für eine islamische Regierungspartei: Sieh dir nur die Türkei an. Pitts ist zufrieden und lässt sich strahlend von der glitzernden Metropole gefangen nehmen.

Natürlich darf auch die Fahrt über den Nil nicht fehlen. Wobei die beiden Männer kein Auge für die Romantik haben, die sich um sie herum entfaltet. Hamed ist überzeugt davon, dass am Anfang der Politisierung der ägyptischen Jugend die Wut über die Behandlung der arabischen Brüder in Gaza stand. Erst danach kam die Kritik an den Zuständen im eigenen Land. Pitts reagiert zurückhaltend, Gaza sei ja ein komplexes Thema. Auch von "arabischer Solidarität" zu sprechen behagt ihm nicht. Es entspinnt sich eine Diskussion zwischen den beiden, die die Regisseurin Edda Baumann von Broen offenbar zu enervierend fand. Kurzerhand blendet sie die Stimmen aus und legt Musik auf die Tonspur. Anstelle der Diskussion dieser beiden klugen und entschieden politisierten Künstler dokumentiert sie damit, wie hübsch es aussieht, wenn zwei attraktive Männer des Nachts den Nil hinunterschippern. Na ja.

Doch trotz dieses harmoniesüchtigen Eingriffs zeigt "Durch die Nacht" viel von der Stimmung unter Linksintellektuellen in Ägypten. Ebenso wie wir die beiden Filmemacher kennenlernen, ohne dass diese groß aus ihrem Privatleben plaudern würden. Es ist eher die Art, wie sie Fragen stellen, wann sie kurz auflachen, was sie nicht wissen und wann sie vorsichtig werden miteinander, die einem die beiden Künstler näher bringt. Die Frage "Bist du verheiratet?" verneinen beide grinsend.

"Versuch mal zu heiraten, wenn man Filme macht", setzt Pitts nach. "Ich habs noch nicht mal versucht", erwidert Hamed mit verschränkten Armen. Pitts lacht.

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