Dumping-Steuersatz: Wer dem Staat eine Grube gräbt
Unternehmen haben die niedrigen Steuersätze für Berlin gefordert - jetzt spüren sie die Folgen: Genehmigungen von Behörden brauchen zu lange.
Bauunternehmer wollen an diesem Montag vor dem Amtssitz von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) protestieren. Durch zu langsam arbeitende Behörden seien die Bauunternehmen „in der Leistungserbringung behindert, müssen Personal reduzieren oder Kurzarbeit durchführen“, heißt es in einem gemeinsamen offenen Brief des Bauindustrieverbandes und der Fachgemeinschaft Bau. Ihr Ärger richtet sich gegen die Verkehrslenkung, die als Behörde für alle größeren Straßen in Berlin zuständig ist. Die rund 120 Mitarbeiter dort geben vor, wie eine Baustelle abgesperrt und gekennzeichnet wird, wie die Autospuren verlegt werden, ob eine Ersatzampel notwendig ist.
Doch in der Verkehrslenkung stauen sich die Anträge. Die Beamten kommen nicht mehr hinterher, sie abzuarbeiten. Für die Bauunternehmen eine absurde Situation: Sie haben den Auftrag, sie haben eine Genehmigung für den eigentlichen Bau, sie haben die Mitarbeiter und Maschinen – nur die Umleitung für den Verkehr lässt auf sich warten. Die Anträge würden „in der Regel nicht nach wenigen Tagen, sondern oft erst nach Monaten bearbeitet“, heißt es in dem offenen Brief. Dadurch gebe es einen Investitionsstau von über 45 Millionen Euro. Die Folge: „Notwendige Instandhaltungen und Versorgungsanschlüsse für Wohnungen und Gewerbe werden verspätet oder wegen Ende eines Haushaltsjahres erst gar nicht durchgeführt.“
Die Verkehrslenkung hat zu wenige Mitarbeiter, da das Land Berlin sich angesichts der schlechten Einnahmesituation einen strikten Sparkurs bei den Ausgaben verordnet – und das jetzt schon seit 15 Jahren. Die Einnahmen sind in Berlin auch deshalb so niedrig, weil die Stadt den niedrigsten Gewerbesteuersatz der 20 größten deutschen Städte hat. Im Schnitt müssen Unternehmen in diesen 20 Städten 13,5 Prozent mehr Gewerbesteuer zahlen als in Berlin. In Hamburg sind es 14,6 Prozent mehr, in München sogar 19,5 Prozent.
Für den niedrigen Berliner Steuersatz hat sich in der Vergangenheit stets die Industrie- und Handelskammer eingesetzt. In der Jahresbilanz 2009 (PDF) für die Mitgliedsunternehmen schrieb der Verband etwa: „Haben Sie’s bemerkt? Den Berliner Unternehmen blieben 2009 zusätzliche finanzielle Belastungen in dreistelliger Millionenhöhe erspart, weil die IHK Berlin sich von Anfang an gegen eine mögliche Erhöhung der Gewerbesteuer gestemmt hat. Trotz deutlicher krisenbedingter Einnahmeausfälle setzte der Berliner Senat diese Maßnahmen deshalb nicht auf die Tagesordnung.“
Die IHK begründete die Forderung auch damit, Berlin müsse als Standort attraktiv für Unternehmen sein. Ein verstärkter Umzug von Unternehmen von München nach Berlin hat sich bisher – 15 Jahre nach der letzten Änderung des Steuersatzes – allerdings noch nicht eingestellt. Der Einnahmeverlust macht sich dagegen jedes Jahr bemerkbar. Wenn die Unternehmen in Berlin genauso hohe Steuern zahlen müssten wie in München, würden die Einnahmen um 263 Millionen Euro steigen. Das würde zum Beispiel - rein rechnerisch - reichen, um die Zahl der Mitarbeiter in der Verkehrslenkung von 120 auf 5.200 zu erhöhen.
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