■ Ausbildungsplatzmangel: Dumme Schüler?
Würden Sie einen Lehrling ausbilden wollen, der eins und eins nicht zusammenzuzählen weiß, seinen Namen nicht schreiben kann, unpünktlich und schlampig ist? Aber hallo! Sicher ist es für die Zukunft der Schulabgänger nicht gerade rosig, daß dieses Jahr 2.500 Lehrstellen fehlen. Doch statt auf die öffentlichen Betriebe, Banken und Versicherungen zu schimpfen, weil sie Lehrstellen abbauen statt Ausbildungsplätze zu schaffen, sollten sich die Schüler an die eigene Nase fassen. Denn jetzt wissen wir endlich, daß niemand anderes als die Lehrstellensuchenden selbst dran schuld sind, wenn sie in die Röhre gucken.
Die Präsidenten der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer nannten bei der gestrigen Eröffnung einer zweitägigen Veranstaltung zur Berufsausbildung das wahre „Ausbildungshemmnis“: die mangelnde Qualifikation der Jugendlichen. Zwölf Prozent der Berliner Schulabgänger haben keinen Abschluß. Damit belegen sie bundesweit den letzten Platz. Die Herren Kramp und Blaese werfen den Schülern aber nicht etwa vor, daß sie mit der Relativitätstheorie nichts anzufangen wüßten und bei Einstein an das gleichnamige Café denken würden. Nein, Jugendliche könnten heute nicht einmal rechnen und deutsch schreiben. Außerdem mangele es ihnen an „Sekundärtugenden“ wie Ordnung und Pünktlichkeit.
Schüler, die schon nicht in der Schule aufgepaßt haben, sollten sich wenigstens jetzt am Riemen reißen. Denn Kramp und Blaese wollen ihnen eine letzte Chance geben und bei Betrieben für mehr Bereitschaft zur Ausbildung werben. Danke, Kramp und Blaese, für den unermüdlichen Einsatz für die Tugenden. Über den Ausbildungsplatzmangel reden wir später einmal. Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen