Dumme Fischer, leere Netze : KOMMENTAR von MANFRED KRIENER
Man muss sich die Nordsee als Bauernhof vorstellen. Die Kühe sind die Fische. Der Bauer ist der ideelle EU-Fischer. Er lebt von der Kälbermast und verkauft das Fleisch. Er ist irgendwie nicht der Hellste, deshalb wird sein Stall ständig leerer. Er bringt immer mehr Kühe zur Schlachtbank, bevor sie für Nachwuchs sorgen können. Der Schultes im Dorf sagt: Xaverl, musst schaun, dass du allweil gnuag Küh’ host. Doch der Bauer ist auf diesem Ohr taub. Er schlachtet zwar ein bisschen weniger, aber der Stall bleibt beängstigend leer, die wenigen geschlechtsreifen Altkühe können nicht genug Nachwuchs aufziehen. So geht das schon seit Jahren – in der EU-Fischerei.
Auch in diesem Jahr haben die EU-Fischereiminister die Fangquoten nur gerade so weit gekürzt, dass die ganz große Katastrophe vermieden wird. Die kleine Katastrophe mit den chronisch überfischten Beständen wird zum Dauerzustand. Zum vierten Mal hintereinander wurde der Rat der Wissenschaft missachtet, Fangverbote auszusprechen. Die meisten Arten, allen voran der Kabeljau, haben keine Chance auf eine echte Erholung. Die Ausrede, dass sich die Politik an wirtschaftlichen und nicht an biologischen Notwendigkeiten orientieren müsse, zählt nicht. Denn die Entscheidungen des Ministerrats sind auch wirtschaftlich kurzsichtig. Würden sie dem Kabeljau eine Auszeit gönnen und ein Fangverbot erlassen, müssten sie die Quoten nicht jedes Jahr senken. Langfristig würde mehr Fisch im Netz zappeln.
Weil ein Unglück selten allein kommt, addieren sich der schlechte „Kompromiss“ des Ministerrats und die Klimaveränderung zu einer gefährlichen Gemengelage. Die Nordsee ist wärmer und salziger geworden, was zu schwer prognostizierbaren Veränderungen in den Beständen und Nahrungsketten führt. Neue Fischarten wie Sardellen und Sardinen wandern ein. Und der Kabeljau wedelt immer öfter mit der Schwanzflosse und sagt servus. Ab in den kälteren Norden. In dieser Situation wäre ein vorsichtiges Fischereimanagement eigentlich oberste Pflicht.
Der Nordsee-Kabeljau wird sicher nicht ganz aussterben. Aber er könnte auf ewig als wichtiger Wirtschaftsfisch verschwinden.