piwik no script img

Duma-Wahl in RusslandHacker-Angriffe auf liberale Medien

Mehrere Medien und eine Wahlbeobachtergruppe glauben, von Putin-Anhängern gehackt worden zu sein. Online mehren sich Berichte über Unregelmäßigkeiten bei der Wahl.

Oppositionelle bei einer Demonstration gegen Putin in Moskau. Bild: dapd

Nach der umstrittenen Duma-Wahl in Russland erhebn liberale Medien schwere Kritik gegen Anhänger Wladimir Putins. Wie der Radiosender Ekho Moskvy und der Nachrichtendienst Slon.ru melden, soll es auf ihre Websites am Sonntag und am Montag mehrere Stunden lang sogenannte Denial-of-Service-Attacken (DoS) gegeben haben, bei denen die Server mit falschen Anfragen überflutet wurden. Beide Angebote waren mehrere Stunden lang nicht zu erreichen.

Ebenfalls offenbar von Hackern attackiert wurde die Seite der Wahlbeobachtergruppe Golos. Sie war auch zum Redaktonsschluss dieses Beitrages nicht zu erreichen, es erschien eine Fehlermeldung. Slon.ru gab an, man sei vermutlich Ziel der Angriffe geworden, weil man die interaktive Golos-Wahlkarte in sein Angebot integriert habe. Hier hatte die Organisation verzeichnet, wo es zu Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gekommen sein soll.

Hinter den Angriffen vermuten Ekho Moskvy, Slon.ru und Golos Anhänger des Ministerpräsidenten Wladimir Putin, dessen Partei Einiges Russland bei den Wahlen am Sonntag die absolute Mehrheit verfehlt hatte. Alexei Venediktov, Chefredakteur von Ekho Moskvy, schrieb auf Twitter, bei den Angriffen handele es sich um Versuche, die Veröffentlichung von Vergehen bei der Parlamentswahl zu verhindern. „Das ist ganz offensichtlich.“

Golos-Vertreter hatten bereits am Wahlwochenende unter Schikanen zu leiden. Die einzige unabhängige Wahlbeobachtergruppe des Landes, die mit westlichen Mitteln finanziert wird, soll laut eigenen Angaben von vielen Wahllokalen ausgeschlossen worden sein. Lilia Shibanova, Direktorin der Gruppe, wurde am Samstag laut einem Bericht von „Voice of America“ 12 Stunden lang am Flughafen Moskau-Scheremetjewo festgehalten. Grenzpolizisten hätten ihren Computer eingezogen.

Bevor die Golos-Website am Sonntag erstmals angegriffen wurde, soll sie mehr als 5.500 Hinweise zu Verstößen gegen das Wahlgesetz gesammelt haben - und zwar noch vor der eigentlichen Wahl. Die Telefonhotline der Organisation war ebenfalls nicht zu erreichen - ob es sich hierbei ebenfalls um einen Angriff handelte oder es schlicht zu viele Meldungen gab, blieb zunächst unklar.

Ein Mann, zwölf Stimmen

Auch ohne Zugriff auf die Golos-Website sind seit Sonntag Hinweise im Internet auf Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zu finden. Auf YouTube, in Blogs, auf Twitter und auf Facebook wurden Bilder und Videos sowie Augenzeugenberichte eingestellt. In einem Video soll beispielsweise zu sehen sein, wie ein Mann ein rundes Dutzend Mal seine Stimme abgibt, ohne von den Wahlhelfern abgehalten zu werden. Angeblich soll er dafür die Summe von rund 130 Dollar von Vertretern der Partei Einiges Russland erhalten haben.

Allein im Moskauer Distrikt Strogino sollen dafür rund 100 Personen rekrutiert worden sein, behauptet er weiter. „Karussellwählen“ heiße das. Andere Videos zeigen Gruppen von Wählern, die per Bus von Wahllokal zu Wahllokal kutschiert werden oder bereits mit Stimmen aufgefüllte Wahlurnen vor der Wahl. Ob das Material echt ist, lässt sich aus der Ferne nicht verifizieren.

Auch über die Berichterstattung zu den Wahlen in den Kreml-nahen Medien machen sich russische User lustig. So wird etwa ein Bild herumgereicht, das zeigt, wie der der Kanal Russia 24 zwischenzeitlich die abgegebenen Stimmen in Prozent präsentierte. Die Summe liegt bei sagenhaften 146,47 Prozent, „Einiges Russland“ soll 62,32 Prozent erhalten haben.

Auf Facebook finden sich unterdessen Berichte einzelner Wähler. So schrieb die Moskauerin Ksenia Kononowa laut einem Bericht der Moscow Times, ihre Stimme sei gestohlen worden, der Stimmzettel sei an eine Person mit einem anderen Ausweis gegangen. Wahlbeobachter meldeten auf Facebook, sie hätten Unterschiede zwischen den örtlichen Wahlprotokollen und den Angaben auf der Website der zentralen Wahlkommission entdeckt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!