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„Düsteres Kapitel“

■ Die Uni Jena rehabilitiert Lutz Rathenow: Ihm sei „bitteres Unrecht“ zugefügt worden

Berlin/Jena (dpa) — Die Friedrich-Schiller-Universität Jena hat den von der damaligen DDR-Führung gemaßregelten Schriftsteller Lutz Rathenow rehabilitiert. Rathenow war am 30. März 1977 durch einen Beschluß des Disziplinarausschusses vom Studium an allen Universitäten und Hochschulen der DDR ausgeschlossen worden. In einem am Sonntag in Berlin veröffentlichten Brief an Rathenow erklärte der heutige Rektor der Friedrich-Schiller-Universität, Ernst Schmutzer, „in Übereinstimmung mit dem Senat der Universität den Beschluß des Disziplinarausschusses für unwirksam“. Rektor und Senat sei es ein nachhaltiges Bedürfnis, „sich bei Ihnen dafür zu entschuldigen, was Ihnen durch die Universität an bitterem Unrecht zugefügt worden ist“.

Rathenow war seinerzeit mit der Begründung vom Studium ausgeschlossen worden, seine „politisch-ideologische Grundposition“ sei nicht mit der herrschenden Staatsvorstellung in Übereinstimmung.

Ihm wurde vorgehalten, zu einem „politischen Hemmschuh“ geworden zu sein und in seiner FDJ- Gruppe „politisch desorientierend“ gewirkt zu haben.

Diese Zitate, schrieb der Rektor, belegten, daß der Beschluß von 1977 eindeutig als politisch bedingte Unrechtsmaßnahme einzustufen sei. All das, was Rathenow zum Vorwurf gemacht wurde, sei aus der Sicht der jetzigen Universitätsleitung außerordentlich ehrenvoll für ihn.

„Es kennzeichnet ein außerordentlich düsteres Kapitel der Universität, daß sie in dieser Zeit nicht die Freiheit der Wissenschaft und die Mündigkeit ihrer Studenten gefordert hat, sondern vielmehr daran mitgewirkt hat, daß der Staat solche Mitglieder auch noch mit außerordentlich regiden Reaktionen belegt hat“, heißt es in dem Rehabilitationsschreiben des Rektors.

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