Düstere Zukunft: Leere statt Lehre
■ Der gesetzliche Gammelzwang
Minderjährige unterliegen der Schulpflicht – das gilt auch für Flüchtlinge. Für mindestens neun Jahre müssen sie eine allgemeinbildende Schule besuchen, auch wenn ihr Aufenthalt nicht dauerhaft gesichert ist.
Düster sieht es dagegen für jene Jugendlichen aus, die tatsächlich einen Abschluss erreichen und etwas damit anfangen wollen: Bei laufendem oder abschlägig beschiedenem Asylverfahren bekommen die jungen Flüchtlinge Duldungen von maximal halbjähriger Dauer. Das Duldungspapier trägt den gestempelten Vermerk „Selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet“.
Hinter dieser umständlichen Formulierung verbirgt sich ein völliges Arbeitsverbot. Da ein Ausbildungsvertrag eine Form eines Arbeitsvertrags ist, können die Flüchtlinge keine Berufsausbildung in einem Betrieb beginnnen. Die erforderliche Arbeitserlaubnis können sie nur für Berufe erhalten, in denen sich zu wenige Bewerber finden, also dauerhaft Lehrstellen unbesetzt bleiben. Ansonsten können sich die Jugendlichen nur durch eine Fortsetzung des Schulbesuchs weiter qualifizieren, eventuell in Kombination mit berufsgrundbildenden Elementen. Das ist zum Beispiel an Fachschulen möglich, wo kein Ausbildungsvertrag geschlossen werden muss.
Neuerdings bietet das Ausländeramt in einigen Fällen an, minderjährigen Flüchtlingen zu Ausbildungszwecken eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Die würde zwar eine allgemeine Arbeitserlaubnis möglich machen, aber die Flüchtlinge müssen dafür einen Pass oder Passersatz vorlegen.
Das wiederum wäre für sie ein hohes Risiko: Das Fehlen solcher Papiere ist nach Erreichen der Volljährigkeit in der Regel der einzige Abschiebeschutz. Würden die noch Minderjährigen solche Papiere bei ihren Botschaften beantragen und dem Ausländeramt vorlegen, könnten sie nach ihrem achtzehnten Geburtstag und dem Auslaufen ihrer Aufenthaltsbefugnis abgeschoben werden. Davor würde auch eine inzwischen begonnene Berufsausbildung nicht schützen.
Die meisten Flüchtlinge verzichten daher auf die Berufsausbildung, obwohl ihnen diese gerade im Falle einer Rückkehr ins Heimatland eine wirtschaftliche Perspektive eröffnen könnte: „Die Bundesrepublik vergibt sich damit Chancen in der Entwicklungszusammenarbeit“, sagt Hans-Georg Schlodtmann, Mitarbeiter der Bremer Ausländerbeauftragten. not
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