: Dubiose Geschäfte in Westafrikas Wäldern
■ Die Guerilla Liberias hält sich mit Raubzügen nach Sierra Leone und dem Verkauf der eigenen Regenwälder an der Macht
London/Berlin (taz) — Mit Soldaten aus Nigeria und Guinea versucht der Präsident von Sierra Leone, Joseph Momoh, Angriffe der „National Patriotic Front of Liberia“ (NPFL) auf sein Land abzuwehren. Die Truppen des Guerillaführers Charles Taylor, welche den Großteil Liberias kontrollieren, haben in letzter Zeit wiederholt die Grenze nach Sierra Leone überschritten und sich Gefechte mit der dortigen Armee geliefert, die schon über hundert Todesopfer gefordert haben sollen.
Unklar ist aber, ob es Momoh allein um die Abwehr von NPFL- Angriffen geht. Nach seiner Machtergreifung 1985 hatte der Präsident binnen zwei Jahren die parlamentarische Demokratie Sierra Leones abgeschafft und mit seinem „All Peoples Congress“ einen Einparteienstaat gebildet. Anfang April 1991 drohte ein Obergefreiter der Armee, Sankoh, mit 500 Gefolgsleuten in die Hauptstadt Freetown einzumarschieren, falls nicht sofortige freie Wahlen angesetzt würden. Letzte Woche kündigte Momoh zwar die Einführung eines Mehrparteiensystems an. Doch er beschuldigt Sankoh und Charles Taylor weiterhin, gemeinsam das Land destabilisieren zu wollen.
Es ist unbestritten, daß heftige Kämpfe mit NPFL-Beteiligung im östlichen Sierra Leone an der Grenze zu Liberia stattfinden. Dort leben mehrere hunderttausend liberianische Flüchtlinge, die nun zunehmend die größeren Städte im Landesinneren wie Bo und Kenema aufsuchen. Immer noch überqueren jedoch hungrige Neuankömmlinge aus Liberia den Mano-Fluß, der die Grenze zwischen den beiden Ländern bildet. Am liberianischen Flußufer werden sie routinemäßig von NPFL-Posten festgehalten und befragt. Es gibt Berichte, wonach die Guerilleros sie je nach ethnischer Zugehörigkeit freilassen, zwangsrekrutieren oder vergewaltigen und umbringen.
„Die Armee Sierra Leones hat eine wichtige Rolle gespielt, um liberianische Flüchtlinge aus dieser Lage zu befreien“, sagt Jeff Crisp von der Zeitschrift 'Refugees‘. Er zitiert den Armmekommandanten T.A.B. Mansari: „Wenn wir wissen, daß die Rebellen eine große Anzahl von Menschen festhalten, rufen wir ihre Führer über den Fluß und handeln die Freilassung der Flüchtlinge aus. Die Frauen der Rebellen sind darauf angewiesen, ihre Nahrungsmittel in Sierra Leone zu kaufen. Dies verbieten wir, wenn auf der anderen Seite Menschen festgehalten werden.“
Diese Politik führt nun dazu, daß NPFL-Kommandos selber den Fluß überqueren, um Nahrungsmittel zu suchen. Nach Angaben aus UNHCR-Kreisen dringen NPFL- Kämpfer routinemäßig in sierraleonische Dörfer und Flüchtlingslager am Unterlauf des Mano-Flusses ein und plündern die Lebensmittellager der internationalen Hilfsorganisationen. Wo es Taylors Leuten gelingt, lokale Dorfgrößen zur Zusammenarbeit zu bewegen, gehen sie nach Berichten aus der Region auch systematischer vor: Gegenüber den Hilfsorganisationen wird einfach die Zahl der Flüchtlinge verdoppelt oder verdreifacht, und die überzähligen Lieferungen werden nach Liberia weitergeleitet. In Liberia wird für eine Zwei-Kilogramm-Reispackung bis zu zehn US-Dollar gezahlt— so groß ist dort die Nahrungsmittelknappheit. Die Regierung Sierra Leones versucht jetzt, militärisch die Kontrolle über ihre Grenzdörfer wiederzuerlangen — als Antwort will die NPFL in diesen Gebieten ständig militärisch präsent bleiben.
Regenwald wird verscherbelt
Nicht nur durch illegalen Lebensmitteltransfer über Sierra Leone versucht Charles Taylor, das Leben im von ihm beherrschten liberianischen Landesinneren aufrechtzuerhalten. Eine andere Geldquelle besteht in der Verschleuderung des liberianischen Regenwaldes an die internationale Forstwirtschaft. Bereits in den 80er Jahren hatte der 1990 ermordete Präsident Samuel Doe die großflächige Zerstörung des liberianischen Regenwaldes eingeleitet. Libanesische Geschäftsleute wurden bemächtigt, größere Waldkonzessionen an ausländische Firmen zu vermitteln.
Im Jahre 1988 „produzierte“ Liberia nach offiziellen Angaben 787.000 Kubikmeter Holz — doppelt soviel wie 1987 — im Wert von 110 Millionen US-Dollar. 1989 war die Produktion auf 1.186.000 Kubikmeter angestiegen. Wie die Zeitschrift 'Umwelt‘ berichtet, reagierte daraufhin selbst die deutsche Holzindustrie besorgt: „Diese Entwicklung erscheint erstaunlich, da die forstlichen Gegebenheiten des Landes keine unbegrenzte Ausdehnung der Holznutzung zulassen. Es ist zu hoffen, daß bei der Bewirtschaftung der Wälder die Grenzen der Nachhaltigkeit nicht überschritten werden“, schrieb der „Verein Deutscher Holzeinführhäuser e.V.“ in seinem Geschäftsbericht 1988.
Im Februar 1989 unterschrieb die Regierung Liberias sogar einen Vertrag mit der britischen Waffenfirma „United Scientific Instruments“ (USI). Im Austausch für drei Regenwaldkonzessionen im Umfang von insgesamt 140.000 Hektar bot USI „militärische Güter bis zu einem Gesamtvertragswert von 60 Millionen US-Dollar“ an, darunter gepanzerte Scorpion-90-Fahrzeuge und De-Havilland-Flugzeuge. Die Waffenlieferung sollte mit einem von der USI- Muttergesellschaft „United Scientific Holdings“ zu garantierenden Kredit der Amro Bank vorausbezahlt werden. Aufgrund des Vormarsches der NPFL-Guerilla in die betroffenen Regenwaldgebiete im Jahre 1990 kam dieser Deal nie zustande.
Doch auch unter NPFL- Herrschaft gehen die Regenwaldgeschäfte weiter. Laut verläßlichen Quellen verlangt NPFL-Führer Charles Taylor von Interessenten eine persönliche Vorauszahlung von 50.000 US-Dollar. Darüber hinaus fordert er einen individuell auszuhandelnden Anteil an den Exportprofiten. Wenn die Zusammenarbeit klappt, begleitet eine NPFL-Militäreskorte die abgeholzten Stämme in den Hafen Buchanan, wo sie nach Übersee verladen werden.
An den gegenwärtigen Geschäften ist unter anderem die israelische „Yona International“ beteiligt. Zur Regierungszeit Does durfte Yona die US-eigene Vamply-Holzmühle in Greenville übernehmen, in der Hölzer für den Weltmarkt verarbeitet wurden. Die Yona-Abholzungsgebiete lagen im Südosten des Landes in der Gegend des Sopa-Nationalparks. Nachdem die NPFL im Sommer 1990 diesen Landesteil eroberte, blieb Yona vor Ort.
Auch Deutschland profitiert von diesen Geschäften: In Nordenham wurden im März 1991 liberianische Hölzer ausgeladen, importiert von der Firma Fritz Offermann. Die Hölzer dieser Gesellschaft sind an der Kennzeichnung „FOF“ (Fritz Offermann) oder „GOM“ erkennbar („Gomex“ — der Name, unter dem die Firma in Ghana tätig ist). Die in Nordenham ausgeladenen Hölzer unterschritten die in der liberianischen Gesetzgebung festgelegten Mindestdurchmesser, was auf eine noch rücksichtslosere Ausbeutung der Tropenwälder Liberias schließen läßt. William Pearson
Dominic Johnson
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