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Archiv-Artikel

OHNE SCHLÜPPER Du musst nein sagen

Am Ausgang läuft mir ein alter Typ mit Wollmütze hinterher

Abends brauche ich dringend noch was Süßes, also ziehe ich mir eine Jogginghose an, ohne Schlüpper, und gehe schnell noch zu Netto. Als ich an der Kasse stehe, sagt der Kassierer: „Mensch, gucken Sie mal nicht so traurig.“ Ich sage: „Was, ich? Ich kann nicht anders, mein Gesicht ist so. Das ist genetisch veranlagt, das müssen Sie respektieren.“ „Ach Quatsch“, sagt er, „na geht doch, gucken Sie mal, oh, so ein schönes Lächeln, das sollten Sie öfter machen.“

Ich finde ihn bescheuert. Keine Ahnung, was er will. Am Ausgang läuft mir ein Mann hinterher, ein alter Typ mit Wollmütze und ohne Schneidezähne. „Warten Sie“, ruft er. „Sie sehen echt nett aus.“ „Aha“, sage ich, „danke.“ „Ja“, sagt er, „wenn Sie weiter so lächeln, werden die Männer Ihnen nur so hinterherlaufen.“ Was wollen die alle? „Waren Sie schon in der Renaissance-Ausstellung? Sie müssen die Dame mit dem Hermelin sehen.“ Ich sage, nee, ich war noch nicht da, vielleicht irgendwann, geht ja noch ’ne Weile. Er redet weiter über Blumen bei der Pyronale und über Usain Bolts Fehlstart in Daegu.

„Das hier brauch ich zum Leichtathletik-Gucken“, sagt er und hält eine Flasche Kräuterlikör hoch. „Ha! Eine Sache wäre da noch“, sagt er, „ich würde dich gerne mal auf ’ne Tasse Kaffee einladen.“

Wir sind also schon beim Du. Ich sage, och, ich glaube, ich will jetzt nach Hause, und außerdem stehe ich eher auf Frauen. „Also nee!“, ruft er, „so geht das nicht! Du musst richtig nein sagen! Mich verletzt man nicht so leicht. Man muss ja nicht jeden mögen, ne? Aber ehrlich muss man schon sein!“ Er lacht mich mit seinen fehlenden Zähnen an. „Ja, Hauptsache ehrlich“, sage ich, und verabschiede mich.

Auf dem kurzen Weg nach Hause fühle ich mich unwohl und denke, mit Schlüpper wäre ich schlagfertiger gewesen. Nächstes Mal wieder mit.

MARGARETE STOKOWSKI