: Drück mal wieder ab!
■ „Talk im Turm“, Sonntag, 6.1., Sat.1, 22 Uhr
Thema der Show im Berliner Domhotel: Was kommt durch die Einheit an Kosten auf uns zu? Und wer bitte soll's bezahlen? Vorweg das Ergebnis der Show: Nix Genaues weiß man nicht. Es könnte ja vielleicht etwas kommen, irgendwie halt. Natürlich wissen wir schon seit Tagen, daß das Telefonieren „drastisch teurer“ wird, und Helmut Ricke von der Telekom beklagt das auch. Doch will Walter Wallmann das — so kurz vor der Wahl in Hessen — nicht einfach hinnehmen. Walli, der genauso aussieht, wie man sich das Kleingedruckte in windigen Verträgen vorstellt, hat „da große Zweifel, ob das verfassungsrechtlich möglich ist“, und belästigt die anderen dann durch endloses spitzfindiges Gefasel aus Halbwahrheiten und Selbstbeweihräucherungen.
Die anderen, das sind die perfekt geschminkte Sandra Maischberger, die sich künftig die Moderation der Sendung mit dem ebenso guten wie leider staubtrockenen Erich Böhme teilen soll, der freundlich gelassene Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Manfred Stolpe, Herr Geiger vom Sparkassenverband, der immer eingreift, wenn Walli den Unterschied zwischen Steuern und Abgaben nicht überzeugend hinkriegt, und Frau Oberberg aus dem sterbenden Kreuzberg, die durchaus die richtigen Fragen stellt. Warum man denn nur überall dort spare, wo es den kleinen Mann trifft? „Kann man denn nicht beim Militär kürzen? Was ist mit den Steuerflüchtlingen, mit den Diätenerhöhungen überall?“ Und, das Schlimmste: „Da gibt es Minister ohne besonderen Geschäftsbereich. Weg damit!“ Darauf antwortet natürlich keiner. Ist doch auch klar. Beim Militär kürzen? Wo unsere Jungs von der ganz schnellen Truppe jetzt am Golf — für uns — die Hilfssheriffssterne blitzeblank putzen? Gute Frau!
Wallis unentwegtes Grinsen ist jetzt ganz klebrige Biomasse. Das mit den arbeitslosen Ministern findet er „nicht wesentlich“. Was sind schon dreißig Riesen im Monat? Und auch mit dem Telefon soll man sich doch nicht so haben. Wenn es jetzt bald heißt: Drück' mal wieder ab!, das ist doch zu verkraften. Frau Oberberg wirkt immer irritierter, je länger Walli spricht. Ihre Augen sagen: Wer hat diesen Mann rausgelassen? Wo bin ich hier? Wenn jetzt noch irgendein Trampel erzählt, daß es schon bald ihren Heimatbezirk Kreuzberg nicht mehr geben soll, klappt sie zusammen, denke ich.
Aber das geschieht nicht. Es wird nur weitergelabert. Keiner weiß, was. Manfred Stolpe macht eine Reihe interessanter Vorschläge, auf die jedoch niemand wirklich eingeht. Auch die von Böhme angesprochene Einkommensteuerergänzungsabgabe können Walli und Herrn Geiger nur kopfschüttelndes Grinsen entlocken. Und dann ist Walli wieder dran. Weil er doch so oft von den zwölf Milliarden spricht, die man an die Sowjets gelöhnt hat, wird er von der tapfer sich schlagenden Frau Maischberger gefragt, ob er denn auch ganz persönlich gespendet habe. Darauf Walli: „Darüber werde ich hier nichts sagen. Aber ich weiß um meine Pflichten.“ Erich Böhme zum Schluß in gespielter Enttäuschung: Mir deucht, da kommen irgendwelche Steuern oder Erhöhungen oder so. Nicht schlecht für 75 Minuten Sendezeit. Philippe André
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