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Druck auf Barschel-Ermittlerin

Nervosität in der Schweiz über Kritik bundesdeutscher Medien an Barschel-Ermittlungen Untersuchungsrichterin Nardin tritt Spekulationen über Todesumstände entgegen  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Unter den Schweizer Justizbehörden wächst das Unbehagen angesichts kritischer Berichte in der Bundesrepublik über die Ermittlungsarbeit und die bisherige Vernachlässigung der Mordthese im Todesfall Uwe Barschel durch die Genfer Stadtjustiz (siehe taz vom 28.9.). Wie die taz gestern in Genf erfuhr, ist die allein zuständige Untersuchungsrichterin Claude-Nicole Nardin am Donnerstag vom Kanton Genf aufgefordert worden, ihre Geheimhaltungspolitik aufzugeben. Insbesondere soll sie im Hinblick auf den Jahrestag von Barschels Tod am 11. Oktober Spekulationen über die Todesumstände des ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten entgegentreten. Das ist ein ungewöhlicher Vorgang und ein Indiz für wachsende Meinungsunterschiede zwischen den verschiedenen Schweizer Behörden über die Behandlung des Falles Barschel.

Noch am Mittwoch hatte das Berner Justizministerium in einer schriftlichen Antwort auf Beschwerden bundesdeutscher Korrespondenten darauf hingewiesen, daß nach Schweizer Recht Richterin Nardin völlig unabhängig sei. Weder Kanton noch Schweizer Bundesregierung hätten die Möglichkeit, durch Weisung oder andere Maßnahmen Ermittlungsarbeit und Informationspolitik der Genfer Stadtjustiz zu beeinflussen.

Nardin hatte am Mittwoch unter Berufung auf ihre Geheimhaltungspflicht lediglich mitgeteilt, daß ein Ende der Ermittlungen und der Zeitpunkt der Vorlage eines offiziellen Untersuchungsberichtes nicht absehbar seien. Außerdem seien die an die Öffentlichkeit gelangten Informationen aus dem internen Polizeibericht vom 26.Januar nicht von ihr zu verantworten.

Diese Mitteilung der Untersuchungsrichterin nach monatelanger Nachrichtensperre war offensichtlich eine Reaktion auf das vor wenigen Tagen erschienene Buch „Tod in Genf“. Darin wirft der Kriminologe Armand Mergen, gestützt auf den Polizeibericht und Obduktionsbefunds den Genfer Behörden schwere Ermittlungsfehler und die Vernachlässigung der These von der Ermordung Barschels vor. Gestützt auf diese Quellen, ein weiteres Gutachten Hamburger Mediziner sowie Recherchen zweier Journalisten begann die 'Hamburger Morgenpost‘ gestern eine Serie unter dem Titel „Neue Beweise - Barschel starb nicht in der Badewanne“.

Laut 'Morgenpost‘ „steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest: Dr. Barschel starb nicht durch eigene Hand. Er wurde in den frühen Morgenstunden des 11.Oktober 1987 getötet“.

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