: Drohungen gegen Gysi
■ Neonazi-Gruppe verschickt Schreiben an PDS-Geschäftsstelle / Bekenntnis zu Anschlag auf Heim
Eine rechtsextreme Gruppe mit dem Namen „Weißenseer Arischer Widerstand“ (WAW) bedroht die PDS-Geschäftsstelle in Weißensee und den Berliner Bundestagsabgeordneten der Partei, Gregor Gysi. Den Brief hatte die Leiterin der Geschäftstelle, Susanne Kustak, am Montag in der Post gefunden und kurz darauf Anzeige bei der Polizei erstattet. Beim Staatsschutz, der die Ermittlungen führt, ist die neonazistische Gruppe nach Aussage eines Polizeisprechers bislang „unbekannt“. In dem maschinengeschriebenen Brief heißt es unter der Zeile, in der auf Gysi Bezug genommen wird, wortwörtlich: „Schlagt sie tot, schlagt sie tot, schlagt die Kommunisten tot!“
Die PDS-Geschäftsstelle in Weißensee, der ein Großteil des Textes gewidmet ist, wird aufgefordert, bis Ende Januar das Gebäude zu räumen. Ansonsten passiere, „was die Asylanten im Asylantenheim in Weißensee schon erlebt haben. Ich sage bloß Granate, aber diesmal treffen wir.“
Im Juli vergangenen Jahres war in einem Heim für bosnische Kriegsflüchtlinge in Weißensee eine Handgranate explodiert. Personen kamen damals nicht zu Schaden, allerdings wurden zwei Wohneinheiten in einem Container beschädigt. Für einen rechtsextremen Hintergrund hatte die Polizei nach dem Anschlag keine Anhaltspunkte gesehen (siehe auch taz vom 23.7. 93).
Aufgrund des jüngsten Drohbriefes forderte die PDS nunmehr den Innensenat und die Polizei auf, die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsheim im Ostberliner Bezirk wieder aufzunehmen. Als Indiz für weitere Aktivitäten der neonazistischen Gruppe wertete die Leiterin der PDS-Geschäftsstelle, Kustak, zudem einen Satz in dem Drohbrief, der sich auf zwei frühere Anschläge auf das Parteibüro bezieht – zuletzt waren in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1993 die Außenbeleuchtung und die Schautafel demoliert worden. Dieser Vorfall sei zwar der Polizei gemeldet worden, habe aber keine Erwähnung in den Medien gefunden. „Ich finde es verblüffend, daß darauf in dem Drohbrief nun indirekt Bezug genommen wird“, erklärte Kustak gestern gegenüber der taz.
Gysi selbst hat nach Auskunft seines Berliner Büros wegen des Drohbriefes keine Anzeige gestellt. Man wolle sich durch solche Schreiben nicht beeindrucken lassen, so der Sprecher seines Berliner Büros, Dieter Liehmann. Morddrohungen habe es in den letzten beiden Jahren nicht mehr gegeben. Allerdings seien bereits vier Anschläge – zuletzt im Herbst 1993 – auf Gysis Wahlkreisbüro in Marzahn verübt worden, erklärte Liehmann gestern. Severin Weiland
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