■ Droht ein neuer Lappenkrieg?: Militante Olympiafans
Es gibt sie tatsächlich, die militanten Olympioniken. Diesmal tauchen sie nicht im schwarzen Outfit der Autonomen, sondern im staatlichen Gewand auf. Wenn es stimmt, was Augenzeugen in der Schreinerstraße beobachtet haben, dann hat die Polizei im Zusammenspiel mit der Staatsanwaltschaft eine sportliche Rekordmarke hingelegt: Rund 200 Beamte stürmten ein besetztes Haus, um ein einziges Anti-Olympia-Transparent zu entfernen, verhafteten 13 Personen und filmten die Räume, während Wasserwerfer und Schützenpanzer die Umgebung vorsorglich in Schach hielten.
Berlin ist solche Einsätze gewöhnt. Als US-Präsident Ronald Reagan 1982 die Stadt besuchte, nahm die Polizei Häuser ins Visier, aus denen antiamerikanische Bettücher hingen – das Stichwort vom „Lappenkrieg“ machte die Runde. Diesmal ist es kein Vertreter einer Weltmacht, sondern der Mitte April anstehende Besuch einer Handvoll IOC-Mitglieder, der den staatlichen Präventivreflex verursachte. Die beiden Seiten der Botschaft liegen auf der Hand: Die Olympiagegner sollen eingeschüchtert und dem Internationalen Olmpiakomitee signalisiert werden, Berlin brauche sich in puncto Ruhe und Ordnung nicht hinter seinen Mitbewerbern verstecken.
Hinter diesem Verhalten steckt offenbar eine wohldosierte Strategie. Ihren Anfang nahm sie mit der jüngsten Maßnahme, drei Olympiagegner fast zwei Wochen in U-Haft zu halten. Besonderen Ehrgeiz legte dabei das Sonderdezernat 81 der Staatsanwaltschaft an den Tag, an dessen Spitze mit Carlo Weber ein hartgesottener Mitarbeiter der früheren politischen Staatsanwaltschaft steht. Nur fragt sich, ob mit solchen Aktionen nicht der Anti-Olympia-Bewegung Auftrieb gegeben wird. Für sie dürfte der Sonntag – trotz aller nach außen hin getragenen Empörung – ein befriedigendes Gefühl hinterlassen haben: Eine billigere Werbung für die Großdemonstration am 18. April ist wahrlich nicht zu haben. Das martialische Auftreten der Staatsmacht hingegen ist gerade nicht ein Zeichen von Stärke, sondern von tiefer Verunsicherung. Severin Weiland
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