piwik no script img

Drogenbilanz des Innensenators„Über Zwangstherapie für Junkies diskutieren“

■ Mehr Drogendelikte / Senator führt Anstieg aufs harte Durchgreifen zurück

Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) will die Diskussion über eine Zwangstherapie für Junkies jetzt auch in Bremen ankurbeln. Man müsse endlich anfangen, auch in der Hansestadt über dieses Thema zu reden, sagte Borttscheller gestern, als er die Drogenbilanz der Stadt für das Jahr 1996 vorstellte. Die Zahl der angezeigten Drogendelikte sei 1996 „auf die Rekordhöhe“von 4.219 Fällen angestiegen. Das entspreche einer Steigerung von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Borttscheller wollte seinen Vorstoß allerdings nicht als politische Forderung verstanden wissen. Er stünde der Diskussion über die Zwangstherapie, die sein bayrischer Amtskollege Beckstein (CSU) jetzt erneut entfacht habe, „völlig offen“gegenüber. Das Argument, der Erfolg einer Therapie werde im wesentlichen von der Bereitschaft des Drogenabhängigen bestimmt, will Borttscheller dennoch nicht gelten lassen. „Ein Schwerstheroinabhängiger hat gar keinen freien Willen mehr.“Außerdem würden auch Tuberkolose-Kranke aufgrund des Bundesseuchengesetzes zwangsweise in eine Klinik eingewiesen.

„Ausländer, vor allem türkische Staatsbürger und Westafrikaner, nehmen weiterhin eine herausragende Stellung ein“, sagte Borttscheller weiter. Eine Äußerung, die durch die Zahlen, die seine Behörde ermittelt hat, nur zum Teil gedeckt ist. Von 2.540 Tatverdächtigen waren 709 ausländischer Herkunft. Die Zahl ausländischer Tatverdächtige liegt damit bei 27,9 Prozent. Das heißt, mehr als zwei Drittel der Tatverdächtigen sind Deutsche. Beim Handel und Schmuggel mit Rauschgift beträgt der Ausländeranteil 44,2 Prozent, also knapp die Hälfte. Von 1.226 Rauschgiftdealern und Schmugglern sind Borttschellers Zahlenwerk zufolge rund 542 Ausländer und 684 Deutsche.

Auch die Zahl der Drogentoten ist 1996 gestiegen. Während 1995 47 Menschen am Mißbrauch von Drogen starben, waren es 1996 55. 1997 sind bislang 20 Drogentote zu beklagen, darunter drei Auswärtige. Borttscheller interpretierte die gestiegene Zahl von Drogendelikte und Drogentoten als Erfolg seiner Politik. Durch den verstärkten Einsatz von Polizei würden auch mehr Drogendelikte angezeigt und registriert. „Man kann auch die Hände in den Schoß legen und gar nichts tun. Dann hat man eine muntere Statistik“, sagte Borttscheller.

Der öffentlich erkennbare Handel mit Drogen und der Konsum in der Öffentlichkeit ist laut Borttscheller weiter zurückgegangen. Erfreulich habe sich die Situation am Hauptbahnhof entwickelt. Auf die Frage nach Zahlen, die diesen Rückgang belegten, mußte Borttscheller allerdings passen.

Im Viertel habe sich das „positive Gesamtbild“weiter stabilisiert, so der Senator. Ständige Präsenz uniformierter und ziviler Fahnder verunsichere Dealer und Konsumenten. Weitere Drogen-Brennpunkte bestünden auch in Huchting, der Neustadt, Walle, Gröpelingen, Osterholz und Bremen-Nord. kes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen