: Drogen im Abseits
■ 10 Jahre Drogenliga e.V.: Berlins unorthodoxe wie cleane Fußballklasse feiert Geburtstag
Berlin. Die Bierfahne randalierender Fans gehört zum Erscheinungsbild des Fußballs wie die Eckfahne zum Spielfeld. Insofern steht die Drogenliga e.V. nun bereits im zehnten Jahr im Abseits. In Berlins unorthodoxer Fußballklasse sind Gewalt und Suchtmittel jeglicher Art verboten. Selbst die berüchtigte »dritte Halbzeit« am Tresen, das postsportliche Koma-Saufen vieler Stadiongänger, gleicht bei den »Drogies« einer Trockenübung. Wer zu Alk oder Härterem greift, wird sogleich des Feldes verwiesen — vollkommen egal ob Zuschauer, Spieler oder Gratulant.
1980 gründeten eine Handvoll Rauschgiftsüchtiger während ihres Entzugs die Drogenliga. »Fußballspielen kann jeder«, erinnert sich Mitgründer Hans Huber (34), der selbst dem Heroin verfallen war: »Es bedeutete für uns die einzige Möglichkeit, Kontakte zu anderen Leuten zu knüpfen.« Mittlerweile rennen neun bis zehn Mannschaften dem abstinenten Leder hinterher. Sie müssen jedoch nicht aus Anti-Drogen- Einrichtungen stammen. Sympathisantenbeine werden von der Drogenliga mit offenen Armen empfangen, sofern sie das Regelwerk akzeptieren.
Die Grundsätze der Berliner Sonderklasse weisen nur bedingt Parallelen zu den gängigen Ritualen des germanischen Fußwerks auf. »Wir haben uns klar abgegrenzt von den Bestimmungen des Deutschen Fußball-Bundes«, so Olaf Ramthun (32), der vor zehn Jahren als Nichtsüchtiger Geburtshilfe leistete.
Männer und Frauen machen gemeinsame Sache, mitmischen kann jeder, der sich fit fühlt. Sollte aber eine 80jährige Oma im Zweikampf mit ihrem Enkel Konditionsschwächen feststellen, darf sie sich getrost auswechseln lassen: Die Ersatzbank bietet unbegrenzte Möglichkeiten.
Der puristische Berliner Fußball- Verband wähnte sich in der falschen Welt und lehnte ein schüchternes Aufnahmegesuch der kickenden RevoluzzerInnen ab. Hans Huber trägt das mit Fassung: »Die Funktionäre haben immer einen dickeren Bauch als die Aktiven, doch mit ihrem Sport eigentlich nichts am Hut. Fußball stellt für uns eine flankierende Maßnahme zur Therapie dar. Dazu brauchen wir letztendlich keinen Verband.« Ob das gutgeht, kann beim Hallenturnier am 10. November im Märkischen Viertel (Königshorster Straße, 9 bis 14 Uhr) begutachtet werden. Jürgen Schulz
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