: Dringende Warnung vor dem Sofa-Syndrom
■ Mit, neben, unter und vielleicht auch nach Kohl: Ruhe statt Reform heißt die Vorgabe für den CDU-Parteitag in Karlsruhe. Forderung nach „grüner“ CDU
Bonn (taz) – Stillstand bringt's. Nach diesem Motto genießt die Regierungspartei CDU gegenwärtig die Selbstzerlegung der Sozialdemokratie. Die Revitalisierung des alten CDU-Erfolgsslogans „Keine Experimente“ aber schafft schlechte Voraussetzungen für den am Montag beginnenden Parteitag von Karlsruhe, der die Zukunftsfähigkeit der Union zum zentralen Thema haben soll.
Vor dem Parteitag läuft das eingeübte Ritual: Die kritischen Geister der CDU, Heiner Geißler, junge Fraktionschefs aus den Landtagen, der Chef der Jungen Union (JU), machen Druck. Denn die Selbstherrlichkeit der politischen Dominanz von Helmut Kohls Gnaden, so wissen sie, ist eine Gefahr für die CDU und läßt sie bequem werden.
Einen „umfassenden Erneuerungsprozeß“ verlangte da etwa der Fraktionschef der CDU im saarländischen Landtag, Peter Müller im Interview mit der Woche: „Es wäre fatal, wenn sich in der CDU jenes Sofa-Syndrom breitmachen würde, daß dadurch gekennzeichnet ist, daß die Mitglieder sich zurücklehnen und mit Wohlgefallen die One-Man-Show Helmut Kohls verfolgen.“ Die Unionspolitik müsse „grüner“ werden.
Aber wieviel Bewegung und Reform ist möglich, wenn der übermächtige Parteivorsitzende zuvor selbst dafür gesorgt hat, daß Stillstand herrscht – zum Beispiel in der Frage „ökologische Steuerreform“? Da hatte CDU-Generalsekretär Peter Hintze eine Sommerkampagne gestartet, um die CDU als Umweltpartei zu promoten. Aus dem versprochenen ökologischen Umbau des Steuersystems aber wird nichts, weil Kohl vor wenigen Wochen bei der Strategietagung der Schwesterparteien sich auf die Seite der Bremser von der CSU gestellt hat.
Generalsekretär Hintze wird deshalb Karlsruher Schritte zur Reform der Parteistruktur als Beweis der Fortschrittsfähigkeit der CDU verkaufen. Die Durchsetzung des Frauenquorums in Karlsruhe gilt nach intensiver Vorbereitung aus der Parteizentrale und mit Kohlscher Unterstützung als gesichert – allerdings mußten deren Protagonisten krasse Abstriche hinnehmen. Nur ein Quorum von einem Drittel soll den Frauen zugestanden werden. Zumindest in der CDU-Fraktion im Bundestag würde die Regelung einen großen Fortschritt bringen: Dort sind nur 14 Prozent der Abgeordneten Frauen.
Kippen werden die Delegierten möglicherweise den Vorschlag, die Möglichkeit einer Mitgliederbefragung in die Satzung zu schreiben. Die Befürworter unmittelbarer Partizipation in der Partei fürchten nämlich, daß die Mitgliederbefragung als „Bauernopfer“ für das Frauenquorum angesehen werden könnte. Dabei tastet der vorliegende Entwurf die Machtstellung des Parteivorstands gar nicht an, macht die Mitgliederbefragung vielmehr „zu einem Instrument der Parteiführung“ (JU- Chef Escher). Nicht umstritten sind die beitragsfreie Gastmitgliedschaft und eine Ämterbegrenzung für Funktionäre.
Wo entscheidende Weichenstellungen nicht zu erwarten sind, beschäftigen sich die Medien im Vorfeld dann lieber mit der Verpflegung der 1.000 Delegierten und 800 Journalisten: Die Bündnisgrünen im Karlsruher Gemeinderat stört, daß die Stadt das Verbot von Einweggeschirr zugunsten der CDU- Veranstaltung aufhob. Parteitagsponsor McDonald's nämlich würde seine Hamburger nicht auf Porzellantellern servieren, die Angestellte dann wieder in zusätzlicher Arbeit einsammeln und spülen müßten. Hans Monath
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