Dresdner Handydatenaffäre: Journalistendaten in der Blackbox
Nach der Datenaffäre drängt der Deutsche Journalisten-Verband auf Klarheit, wer von der Datenauswertung betroffen war. Sachsens Justizminister behauptet, keine Ahnung zu haben.
BERLIN taz | Eine klare Antwort ist das nicht. Michael Konken war eigens nach Dresden gefahren, um die Dresdner Datenaffäre zur Chefsache zu machen. Denn der Verdacht, dass von der umstrittenen sächsischen Massenauswertung von Handydaten auch Journalisten betroffen waren, liegt auf der Hand.
Doch: Wer genau in Dresden in das Visier der Ermittler gelangt ist und wie mit den Daten von Journalisten umgegangen wurde, das kann Sachsens Justizminister Jürgen Martens (FDP) auch am Montag kaum klären. Nur eines steht fest: Konkret ausschließen kann die Dresdner Landesregierung, was die Journalistendaten angeht, noch immer kaum etwas.
Das teilte Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), nach einem persönlichen Gespräch mit Sachsens Justizminister am Montag mit. Das Ministerium wollte bis zum Redaktionsschluss keine abschließende Bewertung abgeben. Ein Sprecher sagte lediglich, der Minister wolle der Angelegenheit unmittelbar nachgehen. DJV und Justizministerium kündigten eine gemeinsame Stellungnahme an.
Der DJV hatte die Dresdner Datenaffäre zur Chefsache gemacht, weil die Journalistenvereinigung die umstrittenen Polizeiaktion als eklatante Verletzung der Freiheitsrechte der Bürger ansieht und davon ausgeht, dass bei der massenhaften Handydatenabfrage auch Daten von Journalisten erfasst - und möglicherweise ausgewertet - wurden.
Mitarbeiter der taz hatten zuvor juristische Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft Dresden eingereicht. Sie wollen vor Gericht feststellen lassen, ob die richterliche Anordnung zur Funkzellenauswertung in Dresden rechtswidrig war. Der Grund: Sie bezweifeln, dass bei dem Beschluss die Auswirkungen auf besonders geschützte Grundrechtsträger wie Rechtsanwälte, Parlamentarier und Journalisten hinreichend berücksichtigt wurden.
Wer viel telefonierte, war verdächtig
Die Dresdner Polizei hatte im Zuge verschiedener Großdemonstrationen am 13. und 19. Februar 2011, über die bundesweit journalistisch berichtet worden war, insgesamt über eine Million Handyverbindungsdaten wie Telefonnummern, Gesprächsdauer und Standorte von über 300.000 Nutzern ermittelt, gespeichert und ausgewertet.
Dabei wurden nach Darstellung der Dresdner Landesregierung auch 460 Rufnummern von 406 Personen gesondert herausgefiltert und die Namen der Anschlussinhaber ermittelt. Ein Kriterium für die Auswahl war hier die Häufigkeit des Telefonierens. Weil die taz an den betreffenden Tagen mit einem Live-Ticker im Minutentakt online von den Ereignissen in Dresden berichtet hatte, geht die Redaktion davon aus, dass auch taz-Journalisten in den engen Fokus der Ermittler geraten und damit der Schutz und die Vertraulichkeit von Gesprächspartnern und Informanten gefährdet sein könnten.
Ob etwa taz- oder andere Journalisten und ihre Gesprächspartner so in den Fokus der Ermittler geraten sind, konnte Martens laut Konken weder ausschließen noch bestätigen. Allgemein habe es geheißen: "Wo Journalisten in den Fokus gerückt sind, seien laut Ministerium die Daten gelöscht worden", sagte er.
Zufrieden ist der Journalistenverband damit allerdings nicht. Denn welche Behörden im Besitz welcher Daten von Journalisten sind, welche Rückschlüsse daraus gezogen wurden und ob betroffene Journalisten von der Maßnahme informiert werden, bleibt unklar. Konken will das nicht akzeptieren. Zwar begrüßte Konken die Bereitschaft des sächsischen Justizministers, die offenen Fragen in der Datenaffäre aufzuklären. Doch er forderte auch: "Betroffene Journalisten müssen darüber informiert werden, was mit ihren Daten geschehen ist - und wie und warum dies geschehen ist."
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