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Dreimal getauscht, schon rausParis geht Musikpiraten an den Kragen

Frankreichs Parlament verabschiedet das "Three Strikes"-Modell, bei dem Dateitauscher nach drei Malen ihren Internet-Anschluss verlieren. Dies könnte Vorbild für die EU werden.

La troisième fois, t´es foutu: Sarkozy und seine Partei greifen nach den Piraten. Bild: ap

BERLIN taz Bislang war alles nur leeres Gerede, nun könnte es tatsächlich soweit sein: Der gemeinsame Ausschuss der beiden französischen Parlamentskammern hat Ende vergangener Woche einem Gesetz zugestimmt, das Urheberrechtsverletzungen im Netz künftig mit einer vollständigen Sperre des Internet-Zugangs ahndet. Die Empfehlungen dieses interfraktionellen Gremiums werden in der Regel unverändert von der Nationalversammlung abgesegnet.

Für alle, die dann noch Videos, Musik oder Bücher übers Netz tauschen, die eigentlich geschützt sind, gilt mit diesem Gesetz "Three strikes (and you are out)".

Zuvor hatte es intensive Debatten in der Nationalversammlung und im Senat gegeben, ob man Hollywood, Verlagen und Musikriesen tatsächlich solche neuen Strafmaßnahmen bescheren sollte. Diese fordern seit mehreren Jahren härtere Sanktionen, um die beständig zunehmende Piraterie zu stoppen. Das Gesetz hat vor allem die Rückendeckung der konservativen Regierungsparteien.

Was derzeit in Frankreich abläuft, könnte auch bald den Rest Europas erfassen. In Großbritannien werden ähnliche "Three Strikes"-Modelle diskutiert, während auf EU-Ebene einige Lobbyisten der Musikindustrie versuchen, das Thema auf die Agenda zu bekommen. Bislang wurden die Pläne abgelehnt.

Sollte sich das Prinzip in Frankreich durchsetzen, wäre das ein Dammbruch, befürchtet Jeremie Zimmerman, Sprecher des französischen Netzbürgerrechtsvereins "La Quadrature du Net". Die Bürgerrechtler kritisierten, dass der französische Staatschef Sarkozy sehr eng mit der Medienindustrie vernetzt sei. Tatsächlich stand Denis Olivennes, Chef des Elektronikhändlers FNAC, der in Frankreich die meisten DVDs und CDs verkauft, einem Ausschuss vor, der die Gesetzesverschärfung befürwortete.

Eigene Behörde für Musikpiraten

Das französische Parlament will für die "Three Strikes"-Regel extra eine eigene Behörde schaffen. HADOPI heißt die neue Einrichtung, "Hochkommission für die Verteilung von Inhalten und den Schutz der Rechte im Internet". Sie ist für das Anschreiben der Netzbürger zuständig, vor dem Abdrehen des Zugangs erhalten diese zwei Warnungen entweder per E-Mail (was Experten für problematisch halten, weil sie sich fälschen lassen oder im Spam-Ordner landen könnten) oder per Brief.

Beim dritten Fehlverhalten ist dann Schluss mit Internet: Zwei Monate lang wird der Zugang gesperrt. Wird man später erneut erwischt, drohen härtere Strafen, mit Sperren von mindestens einem Jahr.

Damit ein schlauer Nutzer nicht einfach auf die Idee kommt, sich schlicht bei einem konkurrierenden Internet-Anbieter anzumelden, führt die HADOPI eine schwarze Liste. Diese muss von den Providern abgeprüft werden, bevor sie neue Kunden annehmen.

Deutlich erleichtert wird dies allerdings dadurch, dass in Frankreich inzwischen nur noch vier große Online-Anbieter den Markt beherrschen und das lukrative Breitbandgeschäft kontrollieren.

Die Regel ist mehr als umstritten, weil sie das Potenzial hat, Betroffenen die Lebensgrundlage zu nehmen. Der Internet-Zugang ist beruflich inzwischen auch im Privathaushalt enorm wichtig, viele Selbständige kommen ohne Breitband schon gar nicht mehr klar. Außerdem befürchten Experten, dass so mancher Unschuldige in die Fänge der Kontrollbehörde geraten könnte.

So ist denkbar, dass etwa ein böswilliger Nachbar der tatsächliche Verursacher der Urheberrechtsverletzungen war, ohne dass der brave Nutzer etwas davon mitbekommt - knackbarer drahtloser Netze sei dank. Die Medienkonzerne betonen, man werde seiner Verantwortung peinlich genau nachkommen und solche Fälle schon zu verhindern wissen. Deshalb sei ja auch HADOPI da.

Netzaktivisten hoffen auf Verfassungsrat

"La Quadrature du Net" will es darauf nicht ankommen lassen. Die Netzbürgerrechtler halten das Gesetz für ebenso absurd wie destruktiv, zudem praktisch kaum durchsetzbar. "Die Grundrechte der Menschen werden verletzt", sagt "Quadrature"-Sprecher Zimmerman. Es dürfe nicht sein, dass der Unterhaltungsindustrie künftig erlaubt sei, Polizei zu spielen.

Zimmerman hofft nun, dass der französische Verfassungsrat, der die Regelung vor dem endgültigen Inkrafttreten nochmals prüfen kann, sie doch noch stoppt. Dazu müssen sich allerdings zunächst einmal genügend oppositionelle Parlamentarier bereit finden, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Dies wird Beobachtern zufolge aber wohl auch gelingen. Nach Einreichung der Beschwerde werden dann zwei Wochen vergehen, bis die Klärung da ist. Noch vor dem Sommer werden die französischen Internet-Nutzer also genau wissen, was ihnen blüht.

***Anmerkung der Redaktion:

Dieser Text wurde von uns am 9. April überarbeitet, da wir in der ersten Fassung den Fehler gemacht hatten, davon auszugehen, dass die Entscheidung zugunsten des Gesetzes bereits endgültig sei. Doch die Nationalversammlung hat nun der Empfehlung des Gemeinsamen Ausschusses beider Parlamentskammern überraschend widersprochen.

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