■ Drei Richtlinien für eine strahlende Zukunft: Glücklich leben, leichtgemacht
Ein glückliches Leben führen, ja! Gerne! Bitte sehr! Das wollen auch Sie persönlich. Es betrifft uns alle. Aber ist es denn nicht nur ein Traum?
Nein! Es ist heute noch möglich. Wer die drei Richtlinien für ein glückliches Leben beachtet, wird es bestätigen können!
Die erste Richtlinie betrifft das Tragen von Sonnenbrillen. Niemals, niemals darf man sich die Sonnenbrille in den Ausschnitt hängen, denn das sieht zum Steinerweichen dämlich aus. Wer jemandem mit einer vertikal im Ausschnitt baumelnden Sonnenbrille begegnet, wendet sich ab, sucht das Weite, gibt das sprichwörtliche „Fersengeld“ und wird abends, bei der aus knallhartem Schwarzbrot und Gewürzgurken bestehenden Mahlzeit im Zirkel der Lieben, viel zu erzählen haben: „Auf der Uferpromenade ist mir heute einer entgegengekommen, der hatte sich seine Sonnenbrille in den Ausschnitt gehängt!“ Die Lieben werden ihren Abscheu mit Geräuschen äußern, wie sie normalerweise nur aus dem Waschbeckenabfluß ertönen, wenn die Spülmaschine läuft. Trotzdem flanierte in den Sommermonaten ein erschreckend hoher Prozentsatz der Bevölkerung mit der Sonnenbrille im Ausschnitt durch die Wallachitze. Angefangen hat damit Raimund Harmstorff, als er Anfang der 70er Jahre einmal in der Serie „Der Kommissar“ einen grobianischen Motorradfahrer spielte, der als Primitivitätssignal immerzu eine Sonnenbrille im Ausschnitt spazierenführte. Zuzutrauen wäre es auch James Dean oder Marlon Brando gewesen, aber wie auch immer: Sonnenbrillen gehören auf die Nase oder aber ins Etui.
Bei der zweiten Richtlinie geht es um Blumen. Als Lady Diana, Princess of Wales, vor kurzem buchstäblich das „Zeitliche“ gesegnet hatte, gaben Millionen Menschen in aller Welt ihrer Trauer durch das Niederlegen von Blumensträußen an symbolkräftigen Plätzen Ausdruck. Im Fernsehen konnte man wochenlang rund um die Uhr das Ergebnis bestaunen. Aber statt die Augen aufzumachen, klammerten sich die Reporter ausnahmslos an ihre auf der Journalistenhochschule gebüffelte Phrasenliste und behaupteten mit gekünstelter Ergriffenheit, hier woge „ein wahres Blumenmeer“, obwohl nur ein großer Müllhaufen zu sehen war, weil niemand die Papier- und Plastikumhüllung von seinem Kondolenzsträußchen entfernt hatte. Die Trauernden hatten vielleicht die Absicht, Blumen sprechen zu lassen, aber was da sprach, war nur Verpackungsmaterial, und das Verpackungsmaterial sprach laut und deutlich die Worte: „Pietätloserweise hat man mich nicht entfernt, so daß es hier jetzt aussieht wie bei Hempel im gelben Sack, auch wenn die Multiplikatoren von einem wahren Blumenmeer quatschen. Lassen Sie sich davon nicht beirren. Sie sehen ja, was hier los ist.“ Und Sie haben es gehört. Entsorgen Sie bitte in Zukunft die Verpackung, bevor Sie den nächsten Blumenstrauß in die Gegend ballern, und das, was Ihnen daraufhin lacht, wird das Lebensglück sein.
Die dritte Richtlinie soll denen helfen, die das Rauchen aufgegeben haben und sich darüber grämen, daß mit den gelbgerauchten Fingerkuppen allmählich auch die Erinnerung an die schöne Zeit der Sargnagelsaugerei zu verblassen beginnt. Dagegen gibt es ein Rezept. Kaufen Sie sich eine Dose Sunlife-Multivitamin-Brausetabletten mit Orangengeschmack. Lösen Sie eine Tablette in einem Glas Wasser auf. Trinken Sie es aus. Sie werden merken, daß sich am Innenrand des geleerten Glases oben eine Schicht orangefarbener Schmiere festgesetzt hat. Versuche haben ergeben, daß diese Schmierschicht sich auch mit einer fabrikneuen Spülbürste nur mangelhaft beseitigen läßt und daß Teile der Schmierschicht hinterher noch hartnäckiger an den Spülbürstenborsten kleben als Sudetendeutsche an ihrer Heimatscholle. Nehmen Sie jetzt das Glas und wischen Sie mit den Fingerkuppen in der Schmierschicht herum. Danach werden Sie feststellen, daß Ihre Fingerkuppen etwas aufweisen, das dem alten Kettenraucherteint ähnelt wie ein chinesisches Ei dem anderen. „Kuck mal da, die gelben Kippenkuppen! Daß das das noch gibt!“ werden die Menschen in Ihrem Dunstkreis ausrufen, vor Entzücken weiche Knie bekommen und Ihnen hemmungslos zu Willen sein. Und das schönste ist: Das Zeug geht „im wahrsten Sinne des Wortes“ nur mit Reinigungsbenzin und Wurzelbürste wieder runter.
Also verstauen Sie Ihre Sonnenbrille im Etui, machen Sie das Knisterpapier von Ihren Blumen ab, und betupfen Sie mit den Fingerspitzen die Sunlife-Multivitamin- Brausetabletten-Schmierschicht im Glas, und Sie werden ein glückliches Leben führen, vorausgesetzt, Sie sehen gut aus, sind frisch verliebt und kerngesund und haben ein paar Millionen Mark auf der hohen Kante.
Haben Sie nicht? Na ja. Man kann nicht alles haben. Gerhard Henschel
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