Drei Jahre Haft für Online-Unterstützer: Erstmals Urteil wegen Qaida-Werbung
Ein niedersächsisches Gericht hat einen Iraker für das Bewerben von Qaida-Inhalten im Internet verurteilt - ein "warnendes Signal" für Nachahmer, so der Richter.
Zum ersten Mal wird in Deutschland ein Islamist wegen Al-Qaida-Propaganda im Internet bestraft. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle verurteilte gestern den 37jährigen Iraker Ibrahim R. zu drei Jahren Haft. "Das ist ein warnendes Signal für Nachahmer", sagte gestern der Vorsitzende Richter Wolfgang Siolek.
Ibrahim R. aus Georgsmarienhütte (Niedersachsen) hatte Reden von Al-Qaida-Größen im öffentlich zugänglichen Chatroom "al Ansar Ansar al Mujaheddin" veröffentlicht. Meist setzte er Links zu Redensammlungen von Ussama Bin Laden oder dem inzwischen getöteten Abu Mussab al-Sarkawi. Manche Reden postete er auch im Wortlaut oder zum Anhören als Audiodatei. In ihren Reden hätten die Islamistenführer um Mitglieder und Unterstützer für die beiden Organisationen al-Qaida und al-Qaida im Zweistromland geworben.
Diese Werbung habe R. auch nicht nur zu Informationszwecken weitergegeben, sondern sich zu eigen gemacht, sagte Richter Siolek. Denn R. habe die Al-Qaida-Führer gelobpreist, Terroristen als seine "Brüder" und Nachrichten über Terroranschläge als "Erfolgsmeldungen" bezeichnet. Konkrete Anwerbungen konnten R. zwar nicht nachgewiesen werden, auf den Erfolg komme es bei der Werbung aber auch nicht an, so Richter Siolek.
Das Verfahren war rechtlich schwierig, weil seit 2003 die bloße Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen nicht mehr strafbar ist. Die Bundesanwaltschaft wollte R. deshalb pauschal wegen "Unterstützung" von Terrorgruppen anklagen. Dies ließ der Bundesgerichtshof 2007 aber nicht gelten. Strafbar sei nur noch die "Werbung um Mitglieder und Unterstützer". Dem folgte nun das OLG. Die Richter konnten aber kein Kriterium benennen, wann eine Al-Qaida-Rede - straflos - allgemein den Dschihad verherrlicht und wann sie - strafbar - um Unterstützung für ihre Organisation wirbt.
Verteidiger Klaus Rüther hatte auf Freispruch plädiert. Sein Mandant habe nur vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Hilfsweise macht er einen "Verbotsirrtum" geltend, weil die Rechtslage unklar gewesen sei. Noch im Gerichtssaal kündigte er Revision zum Bundesgerichtshof an.
Derzeit sind bei der Bundesanwaltschaft keine weiteren Verfahren gegen Internet-Dschihadisten anhängig. Auch Ibrahim R. wurde nicht aufgespürt, weil sein Internet-Chatroom observiert wurde. Vielmehr war der DSL-Anschluss von R., der als islamistischer Gefährder galt, präventiv überwacht worden. Dabei stieß man auf seine Internet-Aktivitäten.
R. sitzt seit Oktober 2006 in Untersuchungshaft. Richter Siolek wünschte sich zum Schluss der Urteilsverkündung, dass R. nach Haftende "von der Ausländerbehörde sofort abgeschoben wird".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“