Drei Fragen an unsere taz.lab-Patin: Einen Plural für Heimat finden
taz: Das diesjährige taz.lab findet zum Thema „Neue Heimat“ statt: Was macht das neue deutsche Wir aus?
Esra Küçük: Es formt sich nicht mehr entlang der Kategorie „Herkunft“ sondern entlang der Kategorie „Haltung“ – welche Haltung wir gegenüber einer pluralen offenen Gesellschaft einnehmen. Es geht um die großen Themen von Freiheit, Gleichwertigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität. Und die Frage, was für eine Gesellschaft wir sein wollen. Das neue deutsche Wir ist eine Suchbewegung nach dem Verbindenden und nicht mehr nach dem Trennenden.
Wie wichtig ist die Herkunft, um in einer neuen Heimat anzukommen?
Natürlich spielt die Umgebung, in der wir aufwachsen, eine bedeutende Rolle. Vergangenheit ist genauso wichtig wie die Gegenwart, in der wir leben, und die Zukunft, in die wir aufbrechen möchten. „Ankommen“ ist ein großer Begriff. Wann ist „Ankommen“ abgeschlossen? Ich glaube, für einige ist das Leben von einer ständigen Dynamik geprägt und einem lebenslangen „Ankommen“. Andere fühlen sich bereits angekommen. Ich fühle mich an unterschiedlichen Orten angekommen. Für mich sind das Wichtigste an diesen Orten die Menschen, die mir dieses Gefühl geben. Wir leben im Jahr 2017, vielleicht sollten wir einen Plural des Worts Heimat einführen.
Was bedeutet „meinland“ für Sie?
Die „meinland, deinland, unserland“-Reise ist für mich ein Verlassen der Komfortzone und das wieder neu unvoreingenommene aufeinander Zugehen. Ich empfinde derzeit eine gesellschaftliche Spaltung zwischen denjenigen, die Angst haben, und denjenigen, die Mut haben – oder vielleicht Mut haben, keine Angst zu haben. Ich glaube, dass wir der kollektiven Angst, die uns im Westen befallen hat, nur mit Visionen begegnen können. Die taz.meinland-Tour ist für mich eine Suche danach, um die Zukunft nicht den Ängstlichen zu überlassen. Ich denke, dafür sollten wir streiten, scheitern, lernen und wieder aufstehen, um gemeinsam an einem künftigen „Wir“ zu arbeiten.
Esra Küçük, 33, ist Sozialwissenschaftlerin, Gründerin der Jungen Islamkonferenz und leitet das Gorki Forum im Berliner Maxim Gorki Theater. Sie ist eine der Pat*innen des diesjährigen taz.labs.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen