Dramatiker schreibt über Ian Paisley: Dr. No bekommt ein Drehbuch
Der nordirische Dramatiker Gary Mitchell schreibt ein Drehbuch über den eisernen Protestantenführer Ian Paisley. Und will so das grobschlächtige Image der Protestanten aufpolieren.
Der berüchtigte nordirische Pfarrer Ian Paisley, 81-jähriger Chef der radikalen protestantischen Partei DUP (Democratic Unionist Party) und religiöser Hardliner, erklärte nach mehr als vierzig Jahren im Amt am 5. März 2008 seinen Rücktritt. Scheinbar hat "Big Ian", wie er wegen seiner imposanten Größe und wohl auch wegen seines beträchtlichen selbstdarstellerischen Talents genannt wird, sich schon länger Gedanken darüber gemacht, wie er der Nachwelt in Erinnerung bleiben möchte. Für seine Autobiografie gab er nun ein Drehbuch in Auftrag: und zwar ausgerechnet bei dem Belfaster Dramatiker Gary Mitchell.
Mitchells Stücke, die in London am Royal Court und am National Theatre aufgeführt und von der BBC verfilmt wurden, drehen sich hauptsächlich um die Kritik an der paramilitärischen protestantischen Organisation UDA (Ulster Defence Association), die sich selbst als eine Art "umgekehrte IRA" sieht. Mitchell, 43, stammt aus einer proletarischen Familie, die seit fünfzig Jahren in Rathcoole, dem Herzen des protestantischen Belfast, lebt. Mit seinen Angriffen auf die eigene Gemeinde machte er sich genauso unbeliebt wie umgekehrt Ian Paisley mit seinen rechten Brandreden. Paisley weigerte sich bis vor einem Jahr, mit Mitgliedern der katholischen Sinn-Féin-Partei auch nur ein Wort zu wechseln, wetterte katholischer als die bissigsten Katholiken gegen Abtreibung, Homosexuelle ("Sodomie!") und Sex im Allgemeinen.
Aber warum ließ sich Mitchell für Paisleys Film gewinnen? Der Film dürfte mit Ian jr., dem Sohn des Politikers, als Produzenten wohl eher in seiner künstlerischen (Meinungs-)Freiheit dürftig ausfallen.
Vielleicht liegt es daran, dass Mitchell erfahren hat, was es heißt, wenn man als öffentliche Person für seine Meinung von seinen Gegnern angegriffen wird.
Im Dezember 2005 wurde Mitchells Haus in Rathcoole von Mitgliedern der UDA - da ist sich der Autor ziemlich sicher -, mit einer Bombe attackiert. Der Dramatiker lebte danach mit seiner Familie in einem Versteck. Sein erstes Stück nach diesem Vorfall brachte er im August 2007 wie zum Trotz als Kritik an der UDA im bekanntesten katholischen Theater Irlands, dem Dubblejoint Theatre, heraus.
Mit dem Drehbuch für Paisleys Film will Mitchell, so sagt er, den Menschen, die Negatives über "Dr. No" (Paisleys Spitzname) und die Protestanten denken, die Chance geben, ihren vermeintlichen Gegner kennen zu lernen. Außerdem sei es wichtig, den Konfliktparteien ihr Misstrauen gegenüber den Medien und kulturellen Institutionen zu nehmen. Mitchell ist in Interviews bemüht, das Image der Protestanten, die in der irischen Öffentlichkeit als grobschlächtig, kulturfeindlich und dumm gelten, aufzubessern.
Das gilt jedoch nicht für die Terrorbanden der UDA, weswegen sie ihn auch aus seinem Haus gejagt haben dürften. Für die UDA sei Theater "etwas für Schwule", so Mitchell. Sie hätten ihn allerdings für etwas bestraft, das sie gar nicht kennen. Seitdem allerdings eines seiner Theaterstücke verfilmt wurde, sei er für die UDA zu einer Bedrohung geworden.
Wieso Paisley ausgerechnet Mitchell als Autor ausgewählt hat, bleibt eine spannende Frage. Bei den Unionisten geriet Mitchell in die Kritik, als er 1998 den Dubliner Irish Times Award Best New Play für ein Stück gewann, das dem Gegner die Schwächen der protestantischen Gemeinschaft preisgab. Zur Premiere von seinem neuesten Stück "Remnants of fear" beim katholischen Theaterfestival "Feile" in West-Belfast erschien Gerry Adams, der Vorsitzende der republikanischen Sinn-Féin-Partei, aber niemand von Mitchells "Glaubensgenossen" - auch Ian Paisley nicht.
Der nun anscheinend altersmilde Paisley - zum ersten Mal in seiner Politikerkarriere sagte "Dr. No" Yes zu Friedensgesprächen mit den katholischen Republikanern - und der vertriebene Mitchell, beide bislang wie besessen von ihrem politischen Anliegen, haben einander, trotz oder wegen aller Widersprüche, gefunden. Mitchell ist ein Propagandaexperte, der ein neues Thema braucht. Paisley hat mit seinem Film noch einmal eine letzte Chance zur Selbstdarstellung.
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