Dr. Kurt Bode – eine Nazikarriere am OLG in Bremen

■ 50 Jahre Oberlandesgericht: Vizepräsident mit brauner Vergangenheit war beim Jubiläum kein Thema

Dr. Kurt Bode kannte keine Gnade. 1939 verurteilte er als Vorsitzender eines Feldkriegsgerichts 38 Postler, die ihr Postamt in Danzig gegen Polizisten und Hilfspolizisten der SS und SA verteidigt hatten, wegen „Freischärlerei“zum Tode. Die Postler wurden erschossen und an einem geheimen Ort verscharrt. Erst 1991 entdeckte man das Massengrab.

350 Todesurteile gingen von 1942 bis 1945 in seiner Zeit als Generalstaatsanwalt in Danzig über Bodes Schreibtisch. Er war nachweislich am Tod von 122 Verurteilten beteiligt. Ein Rechtsbeistand, der BBC-Nachrichten abgehört hatte, mußte ebenso sterben, wie ein Dieb, der eine Pelzjacke aus dem Winterhilfswerk gestohlen hatte. „Damit die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt“, empfahl Bode dem Reichsjustizministerium fast ausnahmslos, die Gnadengesuche der Verurteilten abzulehnen.

Doch dieses Unrecht und die Tatsache, daß Bode nach dem Krieg in Bremen als Vizepräsident des Oberlandesgerichts (OLG) Recht gesprochen hat, war Bürgermeister und Justizsentor Dr. Henning Scherf (SPD) gestern anläßlich des 50jährigen Bestehens des OLG keine Silbe wert. Nach der „Verwüstung der rechtsstaatlichen Tradition“durch die Nazis hätten die Menschen, die in den letzten 50 Jahren am OLG gearbeitet hätten, das „Vertrauen“in die „rechtsstaatliche Verläßlichkeit“wieder hergestellt, lobte Scherf.

Nur der jetzige OLG-Präsident, Jörg Bewersdorf, erinnerte kurz – und ohne Namensnennung – an Bode: „Es darf nicht verschwiegen werden, daß im Zuge der notwendig gewordenen personellen Verstärkung des Gerichts an diesem auch Richter Recht sprachen, die bereits in der nationalsozialistischen Justiz tätig gewesen sind.“Bewersdorf hat das Foto des Blutrichters, das bis Ende 1993 im Gerichtsflur des OLG neben den anderen Präsidenten hing, entfernt. Durch den BKA-Mann und Buchautor Dieter Schenk war Bewersdorf auf den Werdegang Bodes aufmerksam gemacht worden: Nach dem Krieg war es Bode mit neun Persilscheinen, die vom Entnazifizierungshauptausschuß nur sehr ungenau geprüft worden waren, gelungen, in Bremen Karriere zu machen. 1951 stellte der damalige Justizsenator und spätere Bürgermeister Theodor Spitta Bode als Hilfskraft des höheren Dienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf ein. Zwei Monate später war Bode OLG-Rat. 1955 wurde er zum Senatspräsidenten ernannt und stieg 1957 zum Vizepräsidenten des OLG auf.

Auch der damalige Präsident des OLG, Karl Arndt, war ein Mann mit brauner Vergangenheit. Er gehörte u.a. der SS, dem SS-Reiter-sturm und der Waffen-SS an. Nach dem Krieg trat er als Hilfsverteidiger Ernst von Weizsäckers im Nürnberger Prozeß auf.

1960 ging Bode in Pension. Zwei Monate später erstattete ein Angehöriger der zum Tode verurteilten Postler Anzeige gegen ihn. Die Bremer Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Die Zeugenliste wurde ignoriert. Die Beschwerde gegen die Einstellung hatte keinen Erfolg. 1979 starb Bode. Erst Anfang 1997 sind zwei der Postler vom Landgericht Lübeck freigesprochen worden. Die Todesurteile Bodes hätten auf einem „in Danzig nicht geltenden Gesetz“beruht, urteilten die Richter über die Rechtssprechung eines Mannes, der in Bremen jahrelang Recht gesprochen hat. kes

Dieter Schenk: Die Post von Danzig, Geschichte eines deutschen Justizmordes. - Rowohlt, 1995