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Dossier Arabische Revolution"Ich bin in Gefahr"

Das Militär muss unter Druck gesetzt werden, glaubt der Pro-Israel-Aktivist und einzige Kriegsdienstverweigerer Ägyptens, Maikel Nabil Sanad. Er selbst wurde bereits verprügelt.

"Die Zukunft wird zeigen, ob das Militär ein Freund ist." Maikel Nabil Sanad ist misstrauisch gegenüber den neuen Machthabern in Ägypten. Bild: dpa
Doris Akrap
Interview von Doris Akrap

taz: Herr Sanad, vertrauen Sie als Kriegsdienstverweigerer dem Versprechen des Militärs, den Übergang zu einer Demokratie zu gewährleisten?

Maikel Nabil Sanad: Das Militär hat in den letzten Tagen viele unserer Forderungen erfüllt und uns respektiert. Es gibt derzeit also für uns keinen Grund, gegen die Armee zu sein. Die Zukunft wird zeigen, ob es ein Freund ist.

Sie zweifeln daran?

Ja. Denn die Armee hat zwar nicht auf die Demonstranten geschossen, aber sie hat ab dem 31. Januar versucht, die Demonstrationen zu beenden, und Leute verhaftet. Auch ich wurde von Soldaten festgenommen, die mich in die Geheimdienstzentrale brachten, wo ich verprügelt und sexuell genötigt wurde. Außerdem hat das Militär die Mubarak-Unterstützer nicht davon abgehalten, die Demonstranten anzugreifen, aber Leute daran gehindert, Medikamente und Essen auf den Tahrir-Platz zu bringen. Man kann die Beziehung zwischen der Armee und den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz also nicht gerade eine freundliche nennen.

Als bekannt wurde, dass Verteidigungsminister Hussein Mohammed Tantawi die Regierungsgeschäfte übernimmt, haben Sie in Ihrem Blog geschrieben: "Ich bin ein toter Mann." Haben Sie Angst vor Repressionen?

Bild: privat
Im Interview: 

MAIKEL NABIL SANAD, 25, Tierarzt, erster Kriegsdienstverweigerer Ägyptens.

DIE REVOLUTION SPRICHT

Diese und andere Stimmen aus der arabischen Welt können Sie in der Donnerstagsausgabe, 17. Februar, in der taz auf sechs Seiten lesen. Die Beteiligten des Aufstands in Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Ländern sprechen über ihre Ziele, Hoffnungen und Ängste. Am Kiosk oder am E-Kiosk, www.taz.de/ekiosk.

Ja, alle Aktivisten, die die Militärregierung ablehnen, sind in Gefahr. Aber ich stehe da wohl ziemlich weit oben, weil ich den Militärdienst verweigert habe. Ich war zwar nur einen Tag in Haft, aber schon am Tag nach meiner Entlassung wurde meinem Vater gekündigt. Meine Eltern erhalten ständig Anrufe von der Polizei und dem Geheimdienst. Wenn die Demonstration weitergehen, wird das schlimmer werden.

Werden die Leute denn weitermachen?

Ja, wir werden am Freitag wieder eine Demonstration organisieren, die Revolution geht immer noch weiter. Aber wir brauchen keinen Kampf mit der Armee, und viele Leute wollen der Armee eine Chance geben, bevor sie weiterdemonstrieren.

Was wird Ihre Gruppe "Nein zum Militärdienst" jetzt tun?

Wir werden in den nächsten Monaten versuchen, den Druck auf die Armee zu verstärken, damit sie so schnell wie möglich in die Kasernen zurückgeht.

Sieht die Mehrheit der jungen Leute Ägyptens Zukunft ohne Militär?

Umringt von Iran, Israel, der Hisbollah und dem Sudan, wird die Abschaffung des ägyptischen Militärs in nächster Zukunft wohl kaum durchzusetzen sein. Aber die Mehrheit der Leute will, dass die Armee sich allein darum kümmert, die Einwohner des Landes zu beschützen.

Vor wem? Vor Israel?

Ich sage offen, auch auf meiner Homepage, dass ich ein proisraelischer Aktivist bin. Mubarak hingegen war nie ein Freund Israels, er hat Israel gebraucht, um an der Macht zu bleiben. Wie kann Mubarak ein Freund Israels sein, wenn sein Geheimdienst, der mich gefoltert hat, mir erklärte, meine Freunde und ich seien zionistische Agenten?

Wie kam Israels Unterstützung von Mubarak und Suleiman an?

Israels Unterstützung für diesen Diktator hat Leute wie mich wütend gemacht - und uns in eine schwierige Situation gebracht. Wir erzählen die ganze Zeit, dass Israel ein demokratisches und freundliches Land ist. Was sollen wir den Leuten jetzt sagen? Aber auch Israel wird das schaden. Wenn wir jetzt freie Wahlen haben, werden die Leute für antiisraelische Parteien votieren. Ein großes Problem.

Hat die Revolution Ihrer Meinung nach bereits die Gesellschaft verändert?

Revolutionen verändern Menschen. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich ungebildete Menschen auf der Straße sehe, die Demokratie und Menschenrechte fordern. Auf dem Tahrir-Platz gab es keine Trennung von Männern und Frauen. Die meisten Leute haben Dinge erlebt, die sie vorher noch nie erlebt hatten. Und das wird sie verändern.

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8 Kommentare

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  • N
    nicolaus

    Maikel ist frei!

  • E
    end.the.occupation.119

    Sehr geehrter Post Scriptum,

     

    noch ein kleines Addendum - mit dem ich Bezug auf das Wörtchen "verspielt" nehmen darf - wie auch auf den arabischen Aufstand, der im Moment die Spalten füllt.

     

    Am Freitag letzter Woche hat die USA im UN-Sicherheitsrat ihr Veto gegen die Genfer Konvention und den eigenen Präsidenten eingelegt, der sich zuvor 50 Minuten am Telefon vergeblich abmühte, seinen Klienten, den Statthalter in Ramallah, Mahmoud Abbas, zu erpressen. Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an den Versuch Obamas einen Siedlungsbuaustopp zu erreichen.

     

    Entsprechend bizarr waren die Einlassungen der amerikanischen UN-Botschafterin die erklärte, der Blankoscheck der USA dürfe nicht als 'Rückendeckung' der USA für Israel 'missverstanden' werden.

     

    Damit haben die unentwegten Freunde Israels auch die allerletzte Möglichkeit "verspielt" Israel über weitere Runden zu retten.

     

    Denn mit diesem Veto haben sich die USA deutlich als kompromisslos anti-arabische Kraft im Nahen und Mittleren Osten positioniert und gezeigt, dass Verhandlungen mit ihnen und ihrem Klienten sinnlos sind.

     

    Die Araber von Bahrain bis Marokko werden das bei der hoffentlichen Neu- oder Wiederauferrichtung arabischer Demokratien sicher nicht vergessen.

  • E
    end.the.occupation.113

    Post Scriptum,

     

    nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich Ihr Statement leicht verwirrend finde.

     

    Aber vielleicht erlaubt mir das den Hinweis an Sie und Frau Akrap, dass der den Kriegsdienst verweigernde 'Pro-Israel'-Aktivist in Israel im Gefängnis landen würde, Denn in diesem Sparta des Nahen Ostens gibt es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung...

  • PS
    Post Scriptum

    @end.the.occupation:

     

    Meine Güte, Ihre Kommentare werden ja immer verworrener. Deutschland kann die Okkupation nicht beenden, schon erst recht nicht die taz, Sie müssten das auch einsehen können, wenn Sie darüber nachdenken.

     

    Und auch wenn das in Ihr Weltbild nicht passt, ja, Ägypter, Mubarakgegner, kein Antisemit und Pro-Israel geht auch, wie man am Artikel sieht, auch wenn es nur wenige sind. Vielleicht ist der junge Mann sogar auch gegen die Politik der Belagerung der Palästinensischen Gebiete, höchst wahrscheinlich sogar, wenn er Militärdienstverweigerer ist. Und mit Ihnen hat er trotzdem bestimmt nichts zu tun, sehen Sie, das geht auch. Übrigens, viele Juden in Israel und auch außerhalb sind auch gegen die Politik der Belagerung, leider ist die politische Option in Israel, da es eine Demokratie ist – zwar eine, die weit davon entfernt ist, eine richtig aufgeklärte und zivile, geschweige denn laizistische Demokratie zu sein, aber immerhin eine Demokratie , sehr schwach und bestimmt nicht die Politik, und die sind auch Pro-Israel, und trotzdem gar nicht islamophob, auch trotz Menschen wie Ihnen, das gibt es nämlich auch, glauben Sie es oder nicht.

     

    Ich unterstelle Ihnen jetzt einfach so mal was, aus Jux! – also, mal schauen: .... Hamassympathisant! Antisemit! Sie tun das ja andauernd, eine Berechtigung, sich wegen Unterstellungen zu ärgern, haben Sie schon längst verspielt. Deswegen, falls Sie das Bedürfnis verspüren, zu antworten, reden Sie nur mit einer Hand ...

  • E
    end.the.occupation.110

    In Deutschland haben wir einen Ägypter, der dem Hund eines Juden den Arsch abwischt - Terrierbesitzer kennen das Problem - und in Ägypten findet Doris Akrap ganz zufällig ein Pendant dazu.

     

    Nach mindestens 300 Toten und 2000 Verletzten kommt nun auch in der taz ein Opfer zu Wort - und es ist ein 'Pro-Israel'-Aktivist. Die Ägypter und Mubarak-Gegner - Seite an Seite mit Israel? Wer hätte das gedacht.

     

    Ein staunenswertes PR-Stück.

     

    Damit sollte sch Akrap doch endlich für höhere Aufgaben qualifiziert haben. Vielleicht wird die Stelle bei Broder ja bald frei. Man wird sehen.

  • E
    E.A.

    @Vic

    Es gab zu den Anfängen der BRD auch Leute in der CDU, die im Bundestag saßen und sich christliche Sozialisten nannten.

     

    Es ist auch etwas zu weit hergeholt, ihn jetzt als Pro-Israel-Aktivist hinzustellen. Ich denke er ist gegen die generelle Hetze gegen Israel und spricht ihnen nicht ihre Existenz ab.

  • F
    FAXENDICKE

    Dieses Militär denkt doch nur an die eigene Zukunft, schließlich gilt es Besitzstände und Pfründe zu sichern und zu bewahren. Da war es doch nur logisch sich einen alten Mann der seinen Sohn, einen Zivilisten, installieren wollte erst einmal vom Hals zu schaffen. Was kommt steht in den Sternen, solange es dem Militär nur dienlich ist ist alles möglich!

  • V
    vic

    Pro-Israel-Aktivist, Kriegsdienstverweigerer (und gegen Gewalt, setze ich voraus)

    Wie passt das zusammen?