Doris Akrap So nicht: Zu Deniz haltenheißt auch: ihn in den Nachrichten halten
Die Fünftages-vorschau
Mi., 13. 12.
Adrian Schulz
Jung und dumm
Do., 14. 12.
Jürn Kruse
Nach Geburt
Fr., 15. 12.
Franziska Seyboldt
Psycho
Mo., 18. 12.
Kefah Ali Deeb
Nachbarn
Di., 19. 12.
Sonja Vogel
German Angst
kolumne@taz.de
Im Regelfall haben Kolumnisten ein großes Thema, die einen ihre Kinder, die anderen ihre Tiere, wieder andere Feminismus. Es soll Kollegen in Übersee geben, die sogar jede Woche eine Kolumne über Hallencricket schreiben.
Der Dienstags-Kolumnenplatz der taz hat kein Thema. Er ist für die Allrounder und Generalisten, die über irgendwas mit Politik schreiben, reserviert, das sind im wöchentlichen Wechsel Sonja Vogel, Juri Sternburg und ich. Zur Vorbereitung der großen Kolumnenlesung am kommenden Mittwoch in der Berliner Fahimi-Bar fiel mir auf, dass meine Kolumne in diesem Jahr zum ersten Mal doch so was wie ein Überthema hatte. Es lautet „Deniz“. Oder auch: „Tayyip“. Oder auch: „Die türkische Regierung“. Der Titel dieser Kolumne „So nicht“ hätte in diesem Jahr also auch in „So nicht, Tayyip“ umbenannt werden können.
Seit im Februar der Türkei-Korrespondent der Welt und ehemalige taz-Redakteur Deniz Yücel, der vor mir an dieser Stelle seine Kolumne „Besser“ geschrieben hat, festgenommen wurde, habe ich diesen Platz fast ausschließlich diesem Thema gewidmet.
Nun ist das die letzte Kolumne in diesem Jahr. Und Deniz sitzt immer noch im Gefängnis.
Ein taz-Kollege begrüßt mich seit Februar immer mit dem Satz: „Und was gibt’s Neues?“ Er meint aber nicht mein Befinden, sondern das von Deniz. Der Kollege ist Christian Specht und hat auf dieser Seite immer dann, wenn er Lust hat, auch eine Kolumne.
Spechts Frage ist immer sehr rührend. Aber er ist natürlich nicht der Einzige. Das ganze Jahr über wurde und werde ich von Kollegen, Lesern und Freunden gefragt, ob ich was Neues von Deniz weiß. Meistens wusste und weiß ich nichts. Denn es gibt wenig bis nichts „Neues“. Das „Neue“ sind so Dinge wie die Nachricht im Juni, dass der Staatsanwalt, der die Anklageschrift vorbereitet, im Urlaub ist.
Obwohl es zum journalistischen Alltag gehört, dass sich Themen, über die es eigentlich nichts Neues zu berichten gibt, nach und nach in den Hintergrund schieben, ist es im Fall Deniz anders. Die normalerweise nicht so gern gesehenen Anlässe wie Jubiläen werden von den Kollegen bis heute zum Anlass genommen, über Deniz zu sprechen und damit stellvertretend über alle Journalisten, die in der Türkei inhaftiert oder angeklagt sind.
Und es sind nicht nur die klassischen Politikredaktionen, die das Thema hochhalten, es sind die Morningshows in Lokalradios von Bremen über Köln bis Stuttgart, die mir sagen: „Wir bleiben dran.“
„Medien kritisieren Medien“ gehört ebenfalls zum journalistischen Alltag. Ich will mich aber heute vor allen Kollegen und Redaktionen tief verbeugen, die sich fast das ganze Jahr 2017 dafür eingesetzt haben, dass Deniz und alle anderen inhaftierten und angeklagten Journalisten in der Türkei nicht aus den Nachrichten verschwinden. Auch dafür wurde der Journalismus erfunden.
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