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Doppelt und mit Netz

■ Philharmonie-Intendant Hans Georg Schäfer ist nicht mehr zu halten

Glauben sie, daß sie noch das Vertrauen des Orchesters besitzen?“ „Dazu möchte ich nichts sagen.“ „Wird Ihr Vertrag verlängert werden?“ „Ich sehe keine Veranlassung, ihn von meiner Seite aus nicht zu verlängern.“ Hans Georg Schäfer, der Intendant des Berliner Philharmonischen Orchesters, hat einen schweren Stand. Nachdem die gestrige Pressekonferenz zum Programm der nächsten Saison vom Orchester boykottiert wurde, da dies vorher nicht gehört worden war, ist die Krise zwischen Intendant und Orchester ein offenes Geheimnis. „Wir können das Programm nicht vorstellen, weil wir es nicht kennen“, meint Orchestervorstand Wedow. Laut Statuten müssen die Musiker aber zum Programm gehört werden. Schäfer ist das Bedauern in Person. Er möchte zu dieser „Verstörung“ weiter nichts sagen und entschuldigt sich wiederholt für die Verspätung: In den vergangenen Jahren wurde die nächste Saison bereits im März vorgestellt. Karajans Kündigung sei schuld. Ein Argument, das nicht zieht, denn die kam ja bekanntlich erst am 24.April und zudem dürfte die Planung eines Programms von mehr als 50 Konzerten nicht an den unklaren drei bis vier jährlichen Karajanterminen scheitern. Am peinlichsten Schäfers Auskünfte zur Israelreise. Immerhin steht die im Koalitionspapier versprochene Reise des Orchesters, die das in Israel unerwünschte NSDAP-Mitglied Karajan erfolgreich verhinderte, bereits im Programm. Aber Schäfer betont, dies sei der „spektakuläre“ Ersatz für die Salzburger Osterfestspiele, zu denen der greise Diktator sein Ex-Orchester ausgeladen hatte. Als ob die Israelreise nicht ohnehin stattgefunden hätte. Offenbar war Schäfer erst nach Karajans Kündigung in Sachen Israel tätig geworden, dabei ist das Koalitionsversprechen von Mitte März. Bis auf das letzte Konzert stehen auch die Dirigenten und das Programm noch nicht endgültig fest. Das ist kaum zu verstehen, bedenkt man die politische Bedeutung dieser Reise und den ja noch nicht allzulang zurückliegenden Skandal, daß sich der Kultursenat in diesem Punkt von Karajan Vorschriften machen ließ. Auch das Problem, wo die Philharmoniker spielen werden, wenn der Scharoun-Bau 1991 wegen Asbest geschlossen wird, konnte er bisher nicht lösen. Im Gespräch sind die Heiligkreuz-Kirche und die Halle des Flughafens Tempelhof. Und bei der Frage nach dem Waldbühnenkonzert paßt er. Zwar wird es, wie er betont, von den Philharmonikern und der Kulturbehörde veranstaltet, aber Schwenkows Concert Concept-Agentur organisiert und wird, wenn es sich denn auszahlt, auch kassieren. Immerhin unterstellt Schäfer dem Programm so etwas wie ein Konzept. Der rote Faden sei diesmal Musik für Theater, Oper und Ballett. Das voraussichtlich peinlichste Konzert des Jahres gibts am 16.Juni '90: Wagners Ring ohne Worte, eine orchestrale Zusammenfassung der Tetralogie von Lorin Maazel. Der Rest ist Business as usual. Viel Barenboim, Levine und viel Beethoven und Bruckner. Bruckners Neunte gibt's gleich zweimal, weil sie im letzten Winter ausfiel als die Decke der Philharmonie bröckelte. Diesmal also doppelt und mit Netz. Orchestervorstand Wedow bestätigt, daß dem Senat bereits ein einstimmiges Mißtrauensvotum des Orchesters gegen Schäfer vorliegt. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis der nächste Philharmonie-Intendant für gutes Geld in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wird.

Chp

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