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Doppelknall am Millerntor

■ Neues vom Hochhaus: Statt-Abgeordneter nahm's mit der Wahrheit nicht allzu genau / Umweltinstitut hat Bedenken gegen Sprengung Von Uli Exner

Neuer Polit-Sprengstoff fürs Millerntor: Die in der vergangenen Woche auf Beschluß der Bürgerschaft verschobene Sprengung des asbestverseuchten Iduna-Hochhauses könnte sowohl für die Statt Partei als auch für die beteiligten Behörden unangenehme Folgen haben. Und zwar:

1. Für die Statt Partei, weil ihr Abgeordneter Klaus Scheelhaase in der Debatte um die Sprengung – vorsichtig formuliert – nicht ganz bei der Wahrheit geblieben ist. Scheelhaase hatte sich bei seiner Kritik an den Asbest-Gutachten des TÜV Nord (“unseriös, unvollständig, unklar“) auf einen „unabhängigen Gutachter“ berufen. Der aber hat nach – von der Statt Fraktion gestern bestätigten – Informationen der taz die Gutachten des TÜV Nord nie gesehen.

2. Für die beteiligten Behörden und den TÜV Nord, weil Scheelhaases Vorwürfe möglicherweise nicht ganz unberechtigt sind.

So meldet Hans Ulrich-Raitel, Asbestsachverständiger beim Umweltinstitut München, erhebliche Bedenken gegen die Sprengung an. Es könne davon ausgegangen werden, daß das im Bundesimmissionsschutz-Gesetz vorgesehene Minimierungsgebot bei einer Sprengung nicht eingehalten werde. Dabei werde nun einmal mehr Asbest freigesetzt als bei einem konventionellen Abbruch. Und damit unzulässigerweise mehr als nach dem Stand der Technik unvermeidbar. Außerdem sei die „Erfolgskontrolle der Sanierung“ des TÜV Nord möglicherweise unzureichend.

Ein abschließendes Urteil über die Rechtmäßigkeit der Sprenggenehmigung trauen sich weder Ulrich-Raitel noch die für Asbestsanierungen zuständige Mitarbeiterin des Umweltbundesamts zu. Dazu, so die beiden Experten, müßten sie zunächst die Gutachter-Unterlagen einsehen.

Diese Papiere kreisen derzeit im Hamburger Verwaltungs- und Politikapparat, wo man je nach Standpunkt zu höchst unterschiedlichen Bewertungen kommt. So geht die für die Asbestsanierung zuständige Baubehörde davon aus, daß

a) das Hochhaus asbestfrei ist, b) einer Sprengung deshalb nichts im Wege steht und

c) das Bezirksamt Mitte höchst verantwortlich gehandelt habe, als es die Genehmigung erteilte.

Auf die Frage, warum denn das Gebäude nicht auf konventionellem Weg abgebrochen werde, verweist Baubehördensprecher Jürgen Asmus auf „wirtschaftliche Gründe“. Der Investor könne nicht gezwungen werden, auf die kostengünstigere Sprengung zu verzichten, da das Haus als asbestfrei gelte.

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt dagegen die Statt Partei, die sich gestern daran versuchte, den forschen Vorstoß ihres Abgeordneten Scheelhaase mit Fakten zu untermauern. „Das Hochhaus ist nicht asbestfrei“, teilt die Fraktion mit und erklärt dann auf vier Seiten, wie sie zu dieser Auffassung gelangt. Diesmal allerdings ohne Bezug auf einen „Gutachter“.

Heute in einer Woche sollen die gegensätzlichen Auffassungen erneut in der Bürgerschaft debattiert werden – mit noch nicht absehbarem Ergebnis. Zweierlei steht allerdings schon seit gestern fest:

1. Klaus Scheelhaase hat inzwischen eingesehen, daß er in seinem gewagten Debattenbeitrag rasant über das Ziel hinausgeschossen ist.

2. Die Begründung der Baubehörde – Abbruch aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar – gibt einmal mehr Anlaß zu dieser Spekulation: Bausenator Eugen Wagner gehört dem SPD-Kreis Mitte an. Dessen Vorsitzender ist Ex-Senator Volker Lange, der seinerseits den Millerntor-Investor ABG beraten hat. TÜV Nord und SPD-geführtes Bezirksamt berufen sich bei der Sprenggenehmigung auf Asbest-Grenzwerte, die bei einem Gespräch im Oktober vergangenen Jahres in Wagners Baubehörde festgelegt wurden. Eine von Lange betriebene Gefälligkeit?

Man weiß es nicht. Nur soviel wird einmal mehr deutlich: Allzu enge Verbindungen zwischen Politikern und Unternehmensberatern lassen für derartige Spekulationen sehr viel Raum.

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