Doping beim Giro d'Italia: Fernduell der Flottenführer

Alberto Contador, unangefochtener Spitzenreiter des Giro d'Italia, kämpft um seine Glaubwürdigkeit – Doping. Und es gibt auch neue Vorwürfe gegen Lance Armstrong.

Hoch hinaus und mit Blick in die Ferne: Alberto Contador. Bild: reuters

BELLUNO taz | Vor allem Hausfrauen lieben den Giro d'Italia. 24 Stunden bevor die im Wettbewerb verbliebenen 166 Fahrer das für Giro-Verhältnisse moderate Bergzeitfahren von Belluno nach Nevegal in Angriff nehmen, schmückten zwei betagte Damen schon ihre auf die heutige Strecke weisenden Vorgärten.

Die eine befestigte rosafarbene Luftballons am Gartenzaun. Die andere steckte pinke Schleifen in die Bäume. "Das sieht doch schön aus so", erklärten sie ihr Tun. Für einen Moment bleibt unklar, ob sie nur der Farbe wegen landschaftsgestaltend aktiv wurden. Dann fachsimpelten die beiden aber über Contador. "Der hat das Rennen doch schon gewonnen. Der holt sich auch den Zeitfahrsieg hier", meinte die Frau vom linken Garten. Ihre Nachbarin war ein wenig patriotischer: "Der Garzelli, der ist doch ein guter Zeitfahrer. Ich drücke dem die Daumen."

Prägnanter lässt sich die Ausgangslage kaum zusammenfassen. Garzelli, bereits im letzten Jahr Sieger des Bergzeitfahrens hoch zum Kronplatz, scheint als einziger der Italiener in Lage, die spanische Dominanz wenigstens an einem Tag zu durchbrechen. Im Gesamtklassement haben Contadors italienische Herausforderer Vincenzo Nibali und Michele Scarponi nur noch Aussichten auf das Treppchen hinter Alberto Contador.

Corriere dello Sport: "Ein Admiral und viele tüchtige Kapitäne"

Weil der Pistolero aus Pinto den Giro souverän anführt und seinen Landsleuten Anton und Nieve (beide Euskatel) sowie dem Kolonialspanier Rujano (Venezuela, Androni Giocattoli) zudem gnädig die prestigeträchtigen Etappensiege in den Dolomiten überließ, wagte der Corriere dello Sport den Vergleich mit der unsinkbaren Armada Philipps II. "Ein Admiral und viele tüchtige Kapitäne" an der Spitze der "bis heute wirklich unsinkbaren Armada" konstatierte das Sportblatt. Tatsächlich drückten spanischsprachige Profis dem Kurs zum 150. Geburtstag der Einheit Italiens so stark auf, als wollten sie übergangslos an die barocke Kolonialzeit vor allem im Süden des Stiefels anknüpfen.

Alle neoimperialen Lobhudler vergaßen allerdings, dass das potenzielle Trafalgar dieser Flotte bereits bekannt ist. Es liegt in Lausanne und kann an Wasser immerhin den Genfer See anbieten. Vor allem beherbergt die Stadt den Internationalen Sportgerichtshof Cas, der drei Wochen nach Giro-Ende darüber entscheiden will, ob Admiral Contador die goldenen Streifen vom letzten Frankreichfeldzug wie auch vom Apennin-Abenteuer nicht doch ablegen muss, weil der Clenbuterolgehalt in seinem Körper einfach nicht wegzuerklären ist.

Hamilton wiederholt Doping-Vorwurf gegen Lance Armstrong

Contador tritt damit in ein überaus interessantes Fernduell mit dem anderen großen Flottenführer des Radsports des 21. Jahrhunderts ein. In den USA wiederholte der Ex-Profi Tyler Hamilton den Vorwurf, Lance Armstrong hätte einen positiven Dopingtest bei der Tour de Suisse 2001 mit Hilfe seines Managments und der UCI vertuscht. Hamilton erklärte dies im Verlauf der Interviewsendung "60 Minutes" bei CBS am Sonntag. Die UCI hatte Schwierigkeiten, zwei zeitlich nach der mutmaßlichen Vertuschung eingegangene Spenden Armstrongs in Höhe von 25.000 und 100.000 Dollar zu erklären. Der Weltradsportverband hatte anfangs auch im Falle Contadors versucht, den Clenbuterolbefund sowie die Palsikirückstände in Blutproben, die während der Tor de France 2010 genommen worden sind und die auf Blutdoping hinweisen können, unter Verschluss zu halten.

Der Ausgang dieses Rennens um die Glaubwürdigkeit ist inzwischen spannender geworden als der Giro d'Italia selbst. Der taugt in erster Linie zum temporären Kolorieren der Vorgärten. In der DDR gabs für so etwas mal die "Goldene Hausnummer".

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