piwik no script img

Dominik Baur über die Leitkulturdebatte der CSUSchweinernes aus München

Sollte irgendwer gehofft haben, die CSU würde doch noch erklären, was sie mit dem ominösen Begriff „Leitkultur“ meint, so wurde er beim Parteitag in München endgültig enttäuscht. Dabei hatte die Partei schon Anfang des Jahres großspurig gefordert, ebenjene Leitkultur müsse unbedingt in die bayerische Verfassung. Offenbar ohne zu wissen, was darunter zu verstehen ist.

Im neuen Grundsatzprogramm kommt der Begriff zwar mehrfach vor. Aber von einer Definition keine Spur. Stattdessen nennt die Partei Altbekanntes: Zuwanderer dürften Frauen nicht den Handschlag verweigern, sie müssten akzeptieren, dass man hierzulande Schweinefleisch isst. Und die Christkindlmärkte dürften nicht in Winterfeste umbenannt werden.

Soll Bayern allen Ernstes seine Verfassung ändern, weil Seehofer und seine Leute Angst davor haben, zugewanderte Muslime könnten ihnen Schweinsbraten und Glühwein verbieten? Mit Verlaub: Das ist lächerlich. In Wirklichkeit will die Partei gar keine Wertedebatte oder eine Diskussion da­rüber, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Es geht ihr schlicht um einen Kampfbegriff, den sie gegen die gefürchtete multikulturelle Gesellschaft auffahren kann. Was unter Multikulti zu verstehen ist, weiß die CSU interessanterweise ganz genau: Parallelgesellschaften und Gettos. Ein Neben- und Gegeneinander der Kulturen.

Das Schwadronieren über die Leitkultur ist, allen entgegengesetzten Beteuerungen zum Trotz, eine nur mittelsubtile Pauschalverdächtigung vor allem der muslimischen Flüchtlinge und Zuwanderer. Wer hofft, so die vermeintlichen Patrioten und selbst ernannten Retter des Abendlandes in die Arme der CSU zurückholen zu können, treibt ein gefährliches Spiel. Wer Grundgesetz und bayerische Verfassung ernst nimmt, braucht keine Leitkultur. Die war im Giftschrank der Schwesterpartei gut aufgehoben. Und dort sollte die CSU sie nun schnell wieder verschwinden lassen. Den Schlüssel hat sie hoffentlich noch.

Inland

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen