Dominik Bardow übrigens: Mein Feind, die Birke – fällt die verdammten Dinger!
Neulich hörte ich eine Radioreportage. Über einen Spielplatz in Friedrichshain, umzingelt von Birken. Über leere Nasenspray-Packungen, die sich da stapeln. Und dachte: Ich bin also nicht allein.
Man sollte vorab erwähnen, wie dieser Text entsteht: zwischen Pollenschutzgittern und Luftreiniger. Anders halte ich es selbst in Innenräumen kaum aus zwischen März und Mai, wenn die Pollen fliegen. 15 Prozent der Deutschen haben Heuschnupfen, meist wie ich dank Birken. Mein Feind, der Baum. Ist Ihnen das zu düster? Es mag daran liegen, dass durch Pollengitter am Fenster kaum Licht dringt. Während viele Menschen einen warmen Frühling feiern, sehne ich mich nach reinigendem Regen.
Es war nicht immer so, jahrelang waren die Birke und ich anonyme Nachbarn, wie üblich in Berlin. Seit die Symptome kamen – Niesen, juckende Augen, Müdigkeit, Atemprobleme bis zum Asthma –, habe ich mich schlaugelesen zur Pollenpest. Sie sehen: Auch ich habe mich im Netz radikalisiert. Birken gehören zu den Nacktsamern, sogenannte Gymnospermen, die Windbestäubung betreiben. Das finde ich übergriffig. Ich habe nie Konsens signalisiert, Baumsperma im Gesicht zu empfangen. Das Schlimmste ist: Die Spermaschleudern werden oft bewusst gepflanzt, in Parks oder an Alleen, weil sie pflegeleicht und schön weiß sind.
Dominik Bardow schreibt seit über 20 Jahren als freier Autor über Politik, Sport und Gesellschaft.
Tränke ich Birkenwasser, stürbe ich. Nicht mal in der Sauna bin ich sicher vor Birkenzweiggewedel. Also fordere ich nun radikal: Fällt die Dinger. Überall. Mir zuliebe. Für die niesende Nachbarschaft. Ich weiß, jetzt kommen Einwände: Biodiversität, Luftqualität, Lebensraum für Tiere und Insekten. Aber das können auch andere Bäume. Und ein bisschen Verdrängung gehört heute dazu in Berlin.
Es gibt Stiftungen, die vor allergischen Schocks bei Kindern warnen. Kinder schützen oder Bäume? Die dänische Stadt Aarhus kündigt an, weniger Birken zu pflanzen, dafür allergiefreundlichen Wald. Doch das reicht nicht. Aus Schweden und Polen reisen Pollen Hunderte Kilometer, auch übers Meer. Was tun? In Polen einmarschieren, um Birken zu fällen? Historisch unklug, sage ich als halber Pole. Spätestens hier sehe ich ein: Ich übertreibe. Also nehme ich weiter Medizin ein, Big Pharma freut’s. Und lasse die nächste Kolumne Hasel-, Erlen- und Gräser-Hatern. Bis dahin grüße ich auf Englisch: Life is a birch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen