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Dollars, Träume und Spekulationen

■ Schlingerbewegungen einer Währung / Von der Ohnmacht der Zentralbanken / Deutsche Währungshüter fürchten stärkeren Dollar wegen Kapitalflucht / Der Dollar hat für den Rest der Welt einen politischen Preis

Frankfurt (dpa) - Nun ist er wieder stark: der US-Dollar hat die Kurshürde von 1,88 DM übersprungen und strebt mit Macht nach Höherem. Für das neue Dollar-Wunder, das sich zum Jahresbeginn beim Kurs von 1,58 DM noch niemand vorstellen konnte, kennt der Devisenhandel viele Väter: steigende Zinsen und Inflationsängste in den USA, Abbau des Handelsbilanzdefizits, Vertrauensvorschuß für die künftige Regierung.

„Eine Klima-Verbesserung zugunsten des Dollar schlechthin“, faßt der Frankfurter Devisenhändler Ulrich Hörstel das neue Dollar-Hoch zusammen. Nüchtern stellt die Commerzbank fest: „Massive Verschiebungen der Wechselkursrelationen in so kurzer Zeit stellen die Kalkulation des Außenhandels auf neue Grundlagen“. Tatsächlich schoben die deutschen Exporteure ihre „Schmerzgrenze“ für den Dollarkurs, dessen Fall ihnen wegen der in D-Mark verteuerten Produkte das Leben auf den Weltmärkten erschwerte, in den 80er Jahren immer weiter nach unten. Neu kalkulieren müssen die Importeure, denen zuletzt fallende Rohstoffpreise gepaart mit dem billigen Dollar entgegenkamen.

Zum Umdenken waren die Chefs der europäischen Notenbanken gezwungen, die mit Eingriffen an den Devisenmärkten die gefährlichsten Steilkurven der US-Devise abmildern. Sie mußten lernen, daß ihre Milliarden-Mittel angesichts der täglich an den internationalen Finanzplätzen gehandelten 200 Milliarden Dollar nur bescheidene Wirkung zeigt. Das aktuelle Beispiel ist die um die DM-Schwäche besorgte Deutsche Bundesbank, die sich seit Mai massiv gegen den aufstrebenden Dollar stemmt. Alleine am Montag verkaufte die Deutsche Bundesbank knappe 100 Millionen Dollar. Der Kursanstieg konnte nicht gestoppt werden. Die Europäer und Japaner wissen, daß sie nur gemeinsam mit den Amerikanern stark sind und versuchen, diese für eine stetigere Dollarpolitik zu gewinnen. Längst nämlich gilt der Dollar als ein politischer Preis, den die Wirtschaftspartner der Amerikaner mit billigen oder teuren Waren- und Geldströmen diktiert bekommen. Die USA prägen seit ihrem Aufstieg zur Weltmacht als bevölkerungsreichste Industrienation mit dem größten Binnenmarkt und Militärapparat die globale Konjunktur. Ihr Dollar beherrscht als Superstar die westliche Währungsszene. In Dollar werden die meisten Währungsreserven gehalten und in Dollar werden die wichtigsten Rohstoffe wie Öl und Metalle weltweit abgerechnet. Deshalb versetzt ein Wechsel im Weißen Haus oder bei der US-Notenbank die Finanzmärkte in helle Aufregung, alle Konjunkturdaten der USA finden weltweit Beachtung. Immerhin ist des den Notenbank-Chefs gelungen, in zwei spektakulären Treffen die Amerikaner zu einer parallelen Dollarpolitik zu gewinnen. Im „Plaza-Abkommen“ von New York wurde im Herbst 1985 für den damals starken Dollar eine „weiche Landung“ verabredet. Im „Louvre-Akkord“ von Paris wurde der im Februar 1987 gültige Dollarkurs von 1,83 DM als wünschenswerte Relation beschworen. Darauf folgten der große Börsenkrach, der Dollarsturz auf 1,58 DM, Drohungen der US-Notenbank, den Kurs zum Abbau des Handelsdefizits auf 1,30 DM fallen zu lassen und die Wende nach oben. Nun ist der „Louvre-Kurs“ seit geraumer Zeit erreicht und seit der Bekanntgabe der letzten Handelsbilanz -Zahlen deutlich überschritten.

Dennoch kam bei der deutschen Notenbank keine Freude auf als die einst beschworene Relation oberhalb von 1,80 DM eine Weile vorhielt. Das hat weniger mit dem starken Dollar als mit der schwachen D-Mark zu tun. Die deutschen Währungshüter fürchten als Folge des weiteren Dollaranstiegs eine größere Abwertung der heimischen Devise.

Die DM-Schwäche geht einher mit einem seit Monaten anhaltenden Kapitalflucht aus dem Finanzplatz Bundesrepublik, der von der Ankündigung einer Quellensteuer auf Kapitalerträge beflügelt wurde. So schätzt Bundesbank -Vizepräsident Helmut Schlesinger den langfristigen Kapitalabfluß im ersten Halbjahr auf 50 Milliarden DM.

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