: Dollar verquer
Ein Zwischenhoch des Greenback ■ Mit dem DOLLAR auf Du und Du
Von Kurt Zausel
Ein neues Dollarwunder wird verkündet. Der greenback hat die Kurshürde von 1,88 DM übersprungen und Marktauguren schließen einen weiteren Kursauftrieb nicht aus. Sollte ausgerechnet zum Ende der Amtszeit der „lame duck“ Reagan dessen „voodoo economics“ von den internationalen Geldanlegern durch einen Vertrauensbeweis noch belohnt werden? Zweifel an einer solchen Interpretation der Dollarkursentwicklung sind angebracht. Da ist nach wie vor das Doppeldefizit der USA in der Handelsbilanz und beim Staatshaushalt. Beide Finanzierungslöcher sind allen Bemühungen zum Trotz extrem hoch und können nur durch die Anlockung ausländischen Geldkapitals geschlossen werden. Die gerade verkündeten Zahlen der Handelsbilanz vom Mai 1988 ergeben einen Fehlbetrag in Höhe von 10,9 Mrd. Dollar. Für das gesamte Jahr 1988 wird mit einer Unterdeckung von 140 Mrd. Dollar gerechnet. Üblicherweise nicht gerade ein Anlaß zur überschäumenden Freude. Noch weniger, wenn man berücksichtigt, daß kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen ist. Die US-Ökonomie ist durch einen eigentümlichen „vicious circle“ gekennzeichnet: Je erfolgreicher die Binnenwirtschaft operiert und je höher die Wachstumsraten des Sozialprodukts ausfallen, desto schneller nehmen die Importe zu. Der Grund für diesen teuflischen Zusammenhang ist die mittlerweile bestehende hohe Importabhängigkeit der USA.
Solche harten Daten und Fakten lassen allerdings die Geldanleger kalt. Ihre Kalküle basieren auf Erwartungen, und allgemein hatte man einen noch schlechteren Handelsbilanzausweis für Mai erwartet. Daß die schlechten Erwartungen durch nur wenig bessere Daten angenehm enttäuscht wurden, ist die Basis für das aktuelle Dollarhoch. Daß die Anlage in US-Dollar darüberhinaus seit der jüngsten Erhöhung der „prime rate“ attraktive Zinsgewinne verspricht, die andere Währungen in dieser Höhe nicht bieten können, ist im jüngsten Trubel um den Dollarkurs nahezu untergegangen. Hochzinspolitik und ein günstiges wirtschaftspsychologisches Klima sind aber unsichere Fundamente für eine wirkliche Wende. Vorbereitet wird allein eine neue Abwärtsbewegung, deren Termin schon heute abzusehen ist:November 1988. Dann nämlich wird ein neuer Präsident gewählt. Ob Bush oder Dukakis das Rennen macht - die Rechnung für die Reagansche Wirtschaftspolitik wird fällig. Professionelle Anleger werden sich darauf einzustellen wissen!
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