: Dokumentation
■ „Klammheimliche Freude“
Ende April 1977 erschien im Asta-Blatt 'Göttinger Nachrichten‘ ein Nachruf auf den ermordeten Generalbundesanwalt, unterzeichnet mit „ein Göttinger Mescalero“. Dieser hatte nicht nur weitreichende juristische und politische Folgen, sondern ist auch als Dokument seiner Zeit in die Geschichte der Bundesrepublik eingegangen. Die EUROTAZ dokumentiert Auszüge:
BUBACK — EIN NACHRUF
Dies soll ncht unbedingt eine Einschätzung sein oder ein kommentierender Verriss vom Schreibtisch aus, mit päpstlichem Gestus vorgetragen und als „solidarische Kritik“ bezeichnet. Ausgewogenheit, stringente Argumentation, Dialektik und Widerspruch — das ist mir alles piep- egal. Mir ist bei dieser Buback- Geschichte einiges aufgestoßen, diese Rülpser sollen zu Papier gebracht werden, vielleicht tragen sie ein bißchen zu einer öffentlichen Kontroverse bei.
Meine unmittelbare Reaktion, meine „Betroffenheit“ nach dem Abschluß von Buback ist schnell geschildert: ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen. Ich habe diesen Typ oft hetzen hören, ich weiß, was er bei der Verfolgung, Kriminalisierung, Folterung von Linken für eine herausragende Rolle spielte. Wer sich in den letzten Tagen nur einmal genau genug sein Konterfei angesehen hat, der kann erkennen, welche Züge dieser Rechtsstaat trägt, den er in so hervorragender Weise verkörperte. (...) So eine richtige Freude, wie etwa bei der Himmelfahrt von Carrero Blanco konnte einfach nicht aufkommen. Nicht daß ich mich von der wirklich gut inszenierten 'öffentlichen' Empörung und Hysterie kirre machen ließ; (...) Ich befürchte aber daß mit dem Anschlag auf Buback den Genossen die guten Karten aus der Hand geschlagen worden sind, daß hierdurch eine unfreiwillige Amtshilfe für die Justiz geleistet wurde (...)
Diese Überlegungen haben ausgereicht, mein inneres Händereiben zu stoppen. Aber es kommt noch doller. Ich habe auch über eine Zeit hinweg (wie so viele von uns) die Aktionen der bewaffneten Kämpfer goutiert; ich der ich als Zivilist noch nie eine Knarre in der Hand hatte, eine Bombe habe hochgehen lassen. Ich habe mich schon ein bißchen dran aufgegeilt, wenn mal wieder was hoch ging und die ganze kapitalistische Schickeria samt ihren Schergen in Aufruhr versetzt war. Sachen, die ich im Tagtraum auch mal gern tun tät, aber wo ich mich nicht getraut hab sie zu tun. Ich habe mir auch jetzt wieder vorgestellt, ich wäre bei den bewaffneten Kämpfern (...) Ich müßte völlig umdenken; ich denke immer noch, daß die Entscheidung zu töten oder zu killen bei der herrschenden Macht liegt, bei Richtern, Bullen Werkschützern, Militärs, AKW-Betreibern. Daß ich dafür extra ausgebildet sein müßte, kaltblütig wie Al Capone, schnell, brutal, berechnend. (...)
Wenn in Argentinien oder gar in Spanien einer dieser staatlich legitimierten Killer umgelegt wird, habe ich diese Probleme nicht. Ich glaube zu spüren, daß der Haß des Volkes gegen diese Figuren wirklich ein Volkshaß ist. Aber wer und wieviele Leute haben Buback (tödlich) gehaßt. Woher könnte ich, gehörte ich den bewaffneten Kämpfern an, meine Kompetenz beziehen, über Leben und Tod zu entscheiden?
Wir alle müssen davon runterkommen, die Unterdrücker des Volkes stellvertretend für das Volk zu hassen. (...)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen