Dokumentation: Nichts verkaufen, was aktiv Geld bringt
■ Kampf den Haushaltslöchern: ein Vorschlag der SPD-Linken für den Parteitag
Bei den aus Gründen der extremen Haushaltsnotlage unausweichlichen Kürzungen ist es aus sozialdemokratischer Sicht notwendig, daß das Ausstattungs- und Kostenniveau sowie die Einnahmesituation Berlins an anderen vergleichbaren Ballungszentren in Deutschland orientiert werden. Dies bedeutet aber ebenso, daß die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger auch nicht größer werden als anderswo.
Das gilt insbesondere mit Blick auf die unterdurchschnittliche Einkommenssituation der Berlinerinnen und Berliner im Vergleich etwa mit Hamburg. Außerdem ist es Aufgabe des Senats, die Bundesregierung auf die fortbestehende, erhebliche Zusatzbelastung der Landesfinanzen durch den Ausgleichsprozeß von Ost- und Westteil der Stadt sowie die Hauptstadtfunktion hinzuweisen und nachdrücklich auf Unterstützung zu drängen.
Das Vermögen des Landes Berlin muß in allen Bereichen transparent gemacht (...) werden. Dabei darf das Land insbesondere nicht auf Beteiligungen an Unternehmungen verzichten, die aktiv Geld in die Landeskasse bringen, erhebliche, die Berliner Wirtschaft stabilisierender Investitionen vornehmen und direkt oder indirekt eine große Zahl von Arbeitsplätzen sichern. Bei Immobilien und Versicherungsbeteiligungen wie z. B. dem Anteil des Landes Berlin an der Feuersozietät und der Öffentlichen Leben (ca. 500 Mio. DM) ist dagegen eine intelligente Aktivierung, die auch Verkäufe beinhalten kann, möglich.
Bevor strukturelle Einsparungen besonders im Personalbereich aber wirksam werden können, muß insbesondere für 1997 eine erhebliche Finanzierungslücke von über 7.000 Mio. DM geschlossen werden.
Dazu bedarf es der Bündelung verschiedener Maßnahmen (mögliche Einnahmen für 1997 in Klammern) wie:
– konsequente Eintreibung der Steuerrückstände (1.300 Mio. DM)
– solidarische Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst durch einheitliches Dienstrecht (ca. 200 Mio. DM, strukturell ca. 800 Mio. DM pro Folgejahr)
– Dienstzeitreform bei der Polizei (ca. 100 Mio. DM)
– Umsetzung des seit langem beschlossenen Verkaufs von 15 Prozent der städtischen Wohnungen im Westteil (ca. 45.000 Wohnungen) zu attraktiven Preisen an Mieterinnen und Mieter (erste Tranche von 15.000 Wohnungen ergibt ca. 1.500 Mio. DM)
– Verkauf von städtischen Wohnungen an Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften (ca. 300 Mio. DM)
– Verkauf der Wohnungen der Reichsheimstättensiedlungen an die Mieter (ca. 250 Mio. DM).
Die Verkäufe von einzelnen Wohnungen an Mieterinnen und Mieter werden dabei in Tranchen realisiert. Die kassenwirksamen Erlöse verteilen sich auf die Jahre 1997–99. Ein Verkauf städtischer Wohnungsbaugesellschaften kommt nicht in Frage.
– Umwandlung von Pacht in Eigentum bei im FNP gesicherten Kleingärten (ca. 400 Mio. DM)
– Sicherung von Arbeitsplätzen durch ein Kaufangebot der Gewerbesiedlungsgesellschaft (GSG) an Unternehmen, die dort Flächen gemietet haben (ca. 500 Mio. DM)
– schnelle Schließung des innerstädtischen Flughafens Tempelhof und zügige kassenwirksame Verwertung der landeseigenen Flächenanteile. Zügige Vorklärung des Entwicklungs- und Nutzungskonzeptes für das Gelände des Flughafens Tegel.
Es könnten zur Überbrückung des besonders schwierigen Jahres 1997 die Wasserwerke (BWB), die Behala und die BSR aus ihrem Vermögen einen Fonds bilden. Dieser Fonds könnte ein Kreditvolumen von 2.000 Mio. DM aufnehmen. Dann bestünde die Möglichkeit, daß die Zins- und Tilgungslasten für diesen Kredit aus den Gewinnen dieser Betriebe in den nächsten Jahren finanziert werden.
Nach erfolgtem Abschluß der Bestandsaufnahme des Immobilienvermögens des Landes Berlin können Grundstücke und Gebäude, die die öffentliche Hand nicht für dringende Aufgaben benötigt, in einem Fonds unter Beteiligung von Banken eingebracht und unter folgenden Prämissen aktiviert werden:
– bei ihrer Verwertung sind Rechtsformen vorzuziehen, bei denen das Land Berlin die Liegenschaften nicht endgültig aus der Hand gibt (Erbbaurecht)
– jede Verwertung muß für das Land einen nachprüfbaren wirtschaftlichen Vorteil erbringen
– mit den Gläubigerbanken, die sich an dem Fonds beteiligen, wird eine die künftigen Landeshaushalte erheblich strukturell entlastend wirkende Zinsreduktion für die aufgelaufenen Gesamtschulden des Landes ausgehandelt (ca. 2.000 Mio. DM)
– die Kontrolle durch das Parlament muß gesichert werden.
Wenn die vorher genannten Maßnahmen zügig und erfolgreich umgesetzt werden können, wäre die Deckungslücke für 1997 geschlossen.
In diesem Zusammenhang sind mit Blick auf einen möglichen Verkauf der Gesellschaftsanteile des Landes Berlin an der Bewag in Höhe von 25,8 Prozent die Bedingungen der geltenden Koalitionsvereinbarung voll anzuwenden und strikt einzuhalten, wonach Sinn und Funktion dieser Maßnahme sich unter anderem an den Eckdaten der Haushaltssanierung und an der Möglichkeit der Durchsetzung einer ökologischen Energiepolitik orientieren müssen (Einnahme von ca. 1.300 Mio. DM würde nicht benötigt werden).
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