Dokumentation: Liquidation eines Berufsstandes
■ Aufgeschreckt durch Äußerungen des Kulturamtsleiters Reinhard Strömer protestiert der Künstlerverband bbk gegen drohende Kürzungen bei der KünstlerInnenförderung
In der letzten Woche hatte der Bremer Verband Bildender KünstlerInnen (bbk) eine Diskussion zum Thema KünstlerInnenförderung veranstaltet. Während dieser Veranstaltung hatte Reinhard Strömer, Leiter der Kulturbehörde, mit seinen Beiträgen für Aufregung gesorgt. Strömer hatte sich kulturpolitisch für mehr Marktorientierung nach amerikanischem Vorbild ausgesprochen, die Bezuschussung von Theatern als unsozial und undemokratisch bezeichnet und dafür plädiert, die KünstlerInnenförderung nach Abschluss des Hochschulstudiums zu streichen (vgl. taz vom 13. Januar). In einem offenen Brief an Kultursenator Bernt Schulte (CDU) protestiert nun der bbk gegen eine Ausrichtung der Kunst- und Kulturförderung an derartigen Leitlinien. Wir dokumentieren den Brief im Wortlaut.
Sehr geehrter Herr Schulte,
wir beziehen uns in unserem Brief u.a. auf die Aussagen ihres Kulturamtsleiters Reinhard Strömer vom 11. 1. 2000 bei unserer Veranstaltung zur Künstlerförderung in der Städtischen Galerie.
Wir, die Interessenvertretung der Bremer Künstlerinnen und Künstler, verurteilen aufs Schärfste die von ihrem Mitarbeiter dargestellte kulturpolitische Haltung (die Abschaffung jeglicher Kunst- und Kulturförderung) und die damit verbundenen Konsequenzen. Es ist uns unvorstellbar, wie Sie Kunst und Kultur lediglich nach Kosten-Nutzenrechnung, nach Effektivität bewerten können. Dies widerspricht jeglichem erkämpften, humanistischen Bildungsbegriff. Durch diese Haltung wird die Liquidation eines ganzen Berufsstandes betrieben. Liest man die Aussagen der neuen Führungskräfte Ihrer Behörde zu Beginn ihrer Tätigkeit:
„Kunst ist ein elementarer Ausdruck menschlicher Exis-tenz“ (Volker Heller ÄLeiter der Kultur Management GmbH, Anm. d. Red.Ü)
„Kunst ist eine der wichtigsten Säulen der Gesellschaft, wenn nicht die wichtigste überhaupt“ (Margit Hohlfeld ÄLeiterin des Kulturbüros, Anm. d. Red.Ü)
„Kultur ist Spiel, ist notwendiger Überschuss“ (Reinhard Strömer),
so können wir nur in Anbetracht des geplanten Kürzungsszenarios an den Wolf im Schafspelz denken und sind schockiert. Wir fordern, dass Sie endlich Ihre neue Aufgabe als Kultursenator im Interesse derer einsetzen, für die Sie fürwahr eine Fürsorgepflicht haben: die Kunst- und Kulturschaffenden Bremens. Wenn Sie die Arbeitsmöglichkeiten für Künstler weiter einschränken bzw. abschaffen, schaffen Sie sich selber ab. Ohne Kultur braucht es keine Kulturbehörde und auch keinen Kultursenator mehr. Der bbk Bremen fordert Sie eindringlich auf, keine weiteren Kürzungen im Kulturbereich zuzulassen, sondern für die langfristige Aufstockung und Wahrung der Mittel einzutreten. Weiterhin fordern wir Sie auf, die Städtische Galerie im Buntentor als wichtigstes und unverzichtbares Forum für Bremer Künstler und als Teil der kulturellen Identität Bremens zu erhalten.
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