Dokumentation "Die Anwälte": Geschichte eines deutschen Trios

Gemeinsam verteidigten sie RAF-Mitglieder: Schily, Ströbele und Mahler. "Die Anwälte" (Freitag, 21.55, Arte) versucht, die drei Persönlichkeiten zu erklären.

Seitdem hat sich viel getan - nicht nur optisch: Schily und Ströbele 1972 in West-Berlin. Bild: ap

Es gab einmal drei Anwälte. Die verteidigten Seite an Seite RAF-Mitglieder und andere Protagonisten der 68er-Bewegung. Dann trennten sich ihre Wege - und dreißig Jahre später war aus dem einen ein Holocaust-Leugner mit entzogener Anwaltslizenz, ein Grünen-Urgestein mit Direktmandat und ein Innenminister mit Hang zur scharfen Sicherheitspolitik geworden.

Diese drei Herren sind Horst Mahler, Hans-Christian Ströbele und Otto Schily. Ihre Lebensläufe sind so bewegt, dass man jeden Drehbuchautor damit wieder nach Hause schicken würde - mit dem Hinweis, dass das doch etwas zu dick aufgetragen sei. Ein toller Stoff also für Dokumentarfilmerin Birgit Schulz, die 2002 das Glück hatte, alle drei für Interviews vor ihre Kamera zu bekommen. Ein Stoff, der neugierig macht.

Vielleicht, so die Hoffnung, kann der Film nachvollziehbarer machen, was um alles in der Welt eigentlich Horst Mahler auf die lange Reise von links außen nach rechts außen schickte. Oder zeigen, wie kurz die eigentlich ist. Vielleicht bekommt man dort erklärt, wie aus dem Terroristenverteidiger Otto Schily, der das Recht auf Widerstand betonte, ein Minister auf Terrorjagd wird.

Doch "Die Anwälte" scheitert daran, diese Entwicklungen verständlich zu machen. Kramt zur Begründung von Schilys Wende hin zum Sicherheitsfanatiker das dauerwiederholte Filmmaterial von den einstürzenden 11.-September-Türmen hervor und lässt ihn die Plattitüde "Nur Idioten ändern sich nicht" sagen.

Noch kruder wird es bei Horst Mahler: Er darf sich seine Hinwendung zum Nationalismus damit zurechthegeln, dass er im Gefängnis eben viel Hegel gelesen habe, so lernte, dass nur im Widerspruch Wahrheit liege - und dann ein neues Verhältnis zum Nationalsozialismus in sich erspürt. Doch statt an diesem Knackpunkt weiterzubohren, wendet Filmemacherin Schulz den Blick ab - hin zu Schily, der sich erinnern darf, wie er als Junge einmal ein Loch bis zum Erdmittelpunkt buddeln wollte.

Ansonsten verliert sich die Dokumentation oft darin, mit Archivmaterial die Stationen im Leben der Protagonisten nachzuerzählen. Das ist kurzweilig, bietet aber wenig neue Einblicke, ist eher so, als würde man in einem Geschichtsbuch blättern. Und doch lässt der Film die Gelegenheit, diesen Männern näher zu kommen, nicht ganz ungenutzt. Besonders Schily, der als Innenminister oft so hart und arrogant auftrat, bekommt im Interview weichere Konturen - etwa, wenn er sich zerknirscht die Schuld daran gibt, dass in den Siebzigern seine damalige Klientin, die RAF-Aktivistin Kathrin Hammerschmidt, in Haft starb.

Spannend wird es auch, wie die drei Männer übereinander reden: wenn Mahler hervorhebt, wie rührend sich Ströbele in den Siebzigern um seine Familie kümmerte, während er im Gefängnis saß. Wenn Schily Mahler einen "tragischen Fall" nennt und sich sonst meist betreten über ihn ausschweigt. So ist "Die Anwälte" am Ende doch eine Dokumentation, die es wert ist, angesehen zu werden. Auch wenn man am Ende ein wenig enttäuscht ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Christian Ströbele ist tot 5762949 5878511 g5878511