■ Dokumentation: Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. zur Demonstration am 8.November 1992 in Berlin: Die Würde des Menschen ist antastbar
Weil sie Fremde sind oder als solche angesehen werden, wurden Menschen in unserem Land ermordet. Hunderte wurden verletzt. Menschen leben in täglicher und nächtlicher Angst vor Angriffen auf offener Straße, in Flüchtlingsheimen, in Wohnungen.
Jüdische Friedhöfe und Gedenkstätten für die Opfer des NS- Regimes werden geschändet und zerstört. Rechtsextremisten demonstrieren unbehelligt mit Nazi- Symbolen und Hitlergruß. Rechtsextreme Zeitungen verbreiten öffentlich Geschichtslügen, schmähen die Opfer und Überlebenden des NS-Völkermordes, rufen zu Haß und Gewalt auf.
Seit langem erwarten Menschen im Inland und im Ausland ein offizielles Signal der Abscheu und der Scham aus Deutschland, das durch rassistische Gewalttaten entstellt ist. Sie erwarten, daß dieser Entwicklung entschieden begegnet wird. Wir begrüßen, daß Politikerinnen und Politiker endlich zu einer Demonstration aufrufen.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Wir mahnen die Politikerinnen und Politiker zur Umkehr, zu glaubwürdigem Reden und Handeln.
Die Würde des Menschen wird angetastet durch eine Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, die, von parteipolitischem und wirtschaftlichem Kalkül geleitet, den Geboten der Menschlichkeit und Gerechtigkeit nicht entspricht.
Die Würde des Menschen wird angetastet durch Reden, in denen Asylsuchende, Flüchtlinge und Einwanderer diffamiert werden, durch eine „Asyldebatte“, die Sündenböcke vor die eigenen politischen und sozialen Fehlentscheidungen schiebt.
Die Würde des Menschen wird angetastet, wenn Menschen der Schutz vor Gewalt versagt bleibt, wenn die Täter mit skandalösen Entschuldigungsversuchen öffentlich begleitet statt polizeilich verfolgt und gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden.
Wir erwarten von den demonstrierenden Politikerinnen und Politikern, daß sie die schäbige und demagogische Asyldebatte beenden. Wir fordern den Erhalt und die Verwirklichung des Verfassungsartikels „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Das Grundrecht auf Asyl dokumentiert die Umkehr vom Verfolgerstaat Deutschland in der NS-Zeit zum Zufluchtsland. Es markiert die Wahrung der Menschenrechte als Leitlinie politischen Handelns.
Wir erinnern in diesen Tagen an die Novemberpogrome von 1938. Unsere Ermutigung und Unterstützung gilt den Menschen, die in unserem Land von rassistischer Gewalt bedroht sind. Wir versammeln uns am 4. und am 9.November in Berlin mit den Bürgerinnen und Bürgern, die sich seit langem selbstverständlich schützend vor die angegriffenen Flüchtlinge stellen. Weitere deutliche Zeichen sind nötig:
Wir rufen auf zur gemeinsamen Demonstration der Bürgerrechts- und Friedensgruppen am 14.November in Bonn und bekräftigen ihre Forderungen:
Grundrechte verteidigen – Flüchtlinge schützen – Rassismus bekämpfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen