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Dokumentartheater in HannoverDie Moschee und ich

Was lässt sich aus dem Berliner Moscheebaustreit über deutsche Befindlichkeiten lernen? Dieser Frage widmet sich das Theaterstück "Moschee DE", das mit Original-Zitaten arbeitet und derzeit am Schauspiel Hannover zu sehen ist.

Nebeneinander in der Turnhalle: Pfarrer schaut, Konvertit spricht. Bild: Katrin Ribbe

Austragungsort des Kulturkampfes ist eine Turnhalle. Mit Kästen, Turnbänken und einem über allem schwebenden Basketballkorb nimmt die Kulisse des Theaterstücks "Moschee DE" am Schauspiel Hannover Bezug auf den Ort, an dem 2006 alles anfing - eine Berliner Schulsporthalle. In der waren seinerzeit die Moschee-Gegner versammelt und protestierten lautstark, als sie von der Baugenehmigung für die islamische Ahmadiyya-Reformgemeinde erfuhren.

Regisseur Robert Thalheim und Autor und Ex-taz-Redakteur Kolja Mensing thematisieren in ihrem Stück "Moschee DE" zunächst die Positionen von Gemeinde, Bürgerinitiativen und Gegeninitiativen. In der Turnhalle verlaufen die Demarkationslinien des Konflikts als rote, grüne und blaue Klebebänder auf dem Boden: die Begrenzungslinien der Spielfelder für Handball, Fußball und Basketball sind Abgrenzungshilfe und Ordnungsstruktur zugleich.

Fünf Figuren haben Mensing und Thalheim aufs Spielfeld geworfen: Der pakistanische Imam und der deutsche Konvertit repräsentieren die Ahmadiyya-Gemeinde, die "Zugezogene" hat die Toleranziniative gegründet, der Vorsitzende der Moscheegegner-Vereinigung ist der obligatorische Jägerzaun-Populist - und der Pfarrer sitzt zwischen allen Stühlen und gibt zwischendurch Salbungsvolles von sich.

Interaktion oder Dialoge gibt es kaum. Jede Figur tritt auf ihr eigenes Spielfeld, nur selten werden Linien übertreten. Fünf Menschen stehen nebeneinander und laden eigene Standpunkte und Rekonstruktionen von Standpunkten ab. Ein Debattierklub sieht anders aus.

Die fünf Charaktere stehen stellvertretend für die beteiligten Konfliktparteien. Insgesamt 15 Beteiligte hatten Autor und Regisseur damals in Heinersdorf befragt und dabei 300 Seiten Interviewmaterial zusammengetragen. Aljoscha Stadelmann spielt den Konvertit und sagt, dokumentarische Texte einzustudieren sei eine Herausforderung. Gerade die Redensarten, die sonst vermieden würden, konserviert der Text gnadenlos. "Mit solchen Floskeln muss man erstmal lernen umzugehen."

Die Chronik des Moscheebaus

März 2006: Die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde kauft in Berlin-Heinersdorf ein brachliegendes Grundstück, um dort eine Moschee zu errichten.

Bei einer Bürgerversammlung in der Turnhalle kommt es zu "tumultartigen Protesten" der Anwohner.

Moscheegegner gründen im April 2006 die "Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger" (IPAHB). Gleichzeitig ruft die NPD zu Demonstrationen im Ort auf.

Angehörige der linken Szene verüben im Sommer 2006 einen Brandanschlag auf das Haus eines CDU-Kreisvorsitzenden, der an den NPD-Märschen teilgenommen hatte.

Als Gegenbewegung zur IPAHB gründet sich im November 2006 die Toleranzinitiative "Heinersdorf, öffne dich".

Die Baugenehmigung für die Moschee in Pankow-Heinersdorf wird im Dezember 2006 erteilt.

Die Grundsteinlegung der Khadija-Moschee folgt im Januar 2007.

Im April 2007 wird auf dem Gelände der Moscheebaustelle ein Kipplaster in Brand gesteckt. Die Täter werden aus dem rechten Umfeld vermutet.

Weitere Demonstrationen der Moscheegegner in Pankow folgen im Juni 2007.

Im Juli 2008 beschmieren Unbekannte die Kuppel der Moschee mit rechtsradikalen Parolen und Symbolen.

Eröffnet wird die Moschee feierlich unter dem Schutz der Berliner Politprominenz im Oktober 2008. Vor dem Moscheegelände demonstrieren rechtsradikale Jugendliche und Heinersdorfer Bürger. aro

Schon die Exposition befördert das Publikum unsanft in die Problematik. Ein Spiegel TV-Bericht wird eingeblendet: Ein ganzer Ortsteil zeigt sich als skandierender Pöbel. "Wir sind das Volk", rufen die Moscheegegner. Regisseur Thalheim wohnt zu der Zeit in der Nähe des Ostberliner Bezirks, er ist überrascht, dass "ein religiöser Konflikt in meiner Nachbarschaft, in einer säkularen Gesellschaft so ein Thema werden kann".

Die "Zugezogene" wundert sich in dem Stück erstmal über die "große Menge an Kleingärtnern in Trainingshosen" und findet alles "so pogrom-mäßig". Die "Zugezogene" stammt aus Stuttgart, mietet in Prenzelberg, zieht dann ins vorstädtische Heinersdorf. Natürlich erst, als ihre junge Familie die freistehende Immobilie mit Garten findet, die "alle Bedingungen erfüllt". Nach der Aufmerksamkeit, die der kleinbürgerlich-beschauliche Ortsteil im Moscheestreit erhält, würde sie dann am liebsten gleich wieder weg, wäre da nicht die "Riesen-Ablösesumme" fürs Haus. Sie stellt die deutscheste aller Existenzfragen: "Wenn uns die Nazis einen Brandsatz ins Erdgeschoss schmeißen, zahlt das dann die Versicherung?"

Mein Grundstück, mein Arbeitsplatz, mein Parkplatz - das sind die Dinge, um die es eigentlich geht. Selbst in den Ressentiments des Vorsitzenden - der rechtspopulistischen Figur, für die im Laufe der Spielhandlung immer mehr Verständnis aufgebracht werden kann - hat die Standortfrage längst die Standpunktfrage ersetzt.

Bedrohlich ist für den Kleingärtner nicht die Vorstellung von Terroristen in den Vorstadtzügen. Er betrauert auch nicht den Verlust christlich-abendländischer Kultur, der mit dem Einzug der islamischen Reformgemeinde drohen soll. Er sorgt sich in erster Linie um Grundstückspreise und Standortpolitik.

Alle Figuren ringen merklich mit Fragen der Verankerung und Verwurzelung. "Es reicht nicht, sich ein Haus zu kaufen und zu sagen, ich will Wurzeln schlagen. Wenn ich meine Biografie irgendwo verankern will, muss ich was dafür tun", fasst Autor Mensing zusammen. "Wir haben festgestellt, dass alle Beteiligten ihre Geschichte auf diesen Konflikt hin erzählen können - und ihre Biografie auf diese Weise ordnen." In den Geschichten, die Menschen von sich erzählen, sei ein großer "Selbstverwirklichungsdruck" spürbar gewesen.

Die Figuren in "Moschee DE" lassen ihre Worthülsen, Binsenweisheiten und Stilblüten nur so aus sich heraus fließen. Bemerkenswert ist, dass alle diese Sätze im Berliner Moscheestreit tatsächlich gefallen und von den Machern aufgezeichnet worden sind. Ein Bühnenstück aus Wortlaut-Zitaten, dessen Wortwitz reine Realsatire ist. Regisseur Thalheim nennt "Moschee DE" ein "Nebeneinander von Stimmen", eher eine "Montage" von Meinungsbildern als ein Stück aus einem Guss.

Besonders der Pfarrer setzt sich mit aufgeblähten Sermonen in Szene. Mit fünf längs ausgerichteten Turnbänken wird die Turnhalle zur Kirche, der über allem schwebenden Basketballkorb zur Kanzel umfunktioniert. Jeder Gottesdienst sei "ein Stückweit performatives Handeln", das wüsste er noch aus dem Soziologiestudium. Da sei er ganz offen, schließlich hätten buddhistische Meditation oder ein Hertha-BSC-Spiel ja auch "gebetsähnliche Züge". Mit dieser Offenheit könne er den Konflikt "religionsphänomenologisch wahrnehmen" und "ethnologische Feldforschung" betreiben.

Auch dem Pfarrer geht es um Standortfragen. Das Aufeinanderprallen von Islam und Christentum vergleicht der Pfarrer mit der Konkurrenz zweier Burgerbratereien am Ort. "Welcher Hamburger der beste ist, das ist ja auch eine ideologische Frage." Kritisierte man dann lateinamerikanisches Rindfleisch, ließen sich auch "Teilverhaltensweisen" des Burgerbraters verändern.

Die Figuren sind im eigenen Wortsalat verstrickt - dadurch scheint ihre Lebensgeschichte noch eindringlicher durch ihre Sprache hindurch. So ein Konflikt würde immer als Katalysator für ganz unterschiedliche Befindlichkeiten dienen, sagt Kolja Mensing - die fände er interessanter als den Streit an sich, in dem ja immer nur "in Schattierungen dieselben beiden Positionen" auftauchen würden. "Man kann nicht gerade behaupten, in Deutschland wird nicht genug über den Islam gestritten. Die Diskussion hat ja kein Öffentlichkeitsproblem. Das wollten wir im Theater nicht noch mal vorzuführen."

Regisseur Thalmein will nicht, dass man nach dem Stück weiß, auf welcher Seite man in diesem Konflikt stehen soll. Sie wollten Ernsthaftigkeit rausnehmen aus der Debatte, sagt der Regisseur. Und liefert ein buntes, ideologiebereinigtes Bild voller Sportgeräte und einer Komik, die nur aus der Strenge von Ideologie und Überernst entstehen kann. Die Turnbänke sollen am Ende der Spielzeit für ein anderes Stück genutzt werden - zu Kirchenbänken umgestaltet.

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