piwik no script img

Doku über RechtsextremismusDie Chamäleon-Nazis

Das ZDF betrachtet die "Neue braune Welle" und lässt vorher keinen darüberschauen - aus Angst vor einstweiligen Verfügungen. Dass es die Doku aber erst 0.35 Uhr sendet, ist peinlich.

"Das sind keine tumben Neonazis, die sich besaufen." (Filmzitat) Bild: reuters

In Sachsen wirbt die NPD auf 80.000 Plakaten und mit 1,2 Millionen Flugblätter für die rechte Sache bei den Landtagswahlen am Sonntag und das Haus des schwarzen CDU-Politikers Zeca Schall in der thüringischen Stadt Hildburghausen wurde auch am Dienstag wieder von Neonazis belagert.

In Sachsen-Anhalt stehen aktuell zwar keine Wahlen an, doch auch hier sind die Rechten längst Teil der politischen Landschaft - egal, ob die etablierte Politik dies wahrhaben oder ignorieren will.

Beate Frenkel und Winand Wernicke haben nun für das ZDF eine Dokumentation gedreht, die den aktuellen Entwicklungen in der rechtsextremen Szene in Ost wie West nachspürt: Denn auch "nebenan", in Bayern, gibt es das Zusammenspiel von NPD und rechten Kameradschaften, getreu dem von NPD-Chef Uwe Voigt propagierten "Drei-Säulen-Modell" aus dem "Kampf um die Straße", dem "Kampf um die Parlamente" und dem grundlegenden "Kampf um die Köpfe".

Und auch in Bayern sind die Neonazis längst ein flächendeckendes Problem: "Das sind keine tumben Neonazis, die sich besaufen", sagt im Film Matthias Windisch, Leiter der bayerischen Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus - sondern "Leute, die sich sehr schnell den neuen Gegebenheiten anpassen, chamäleonartig, um vor Ort möglichst viele Leute ansprechen zu können."

Vor allem auf dem Land wird mit vielfältigem Freizeit- und Musikangebot gelockt. Die Rechten organisieren Kinderfeste, trainieren die Jugendmannschaft vor Ort: "Rechtsextremismus mit Eventcharakter" nennen das die Autoren im zugehörigen Infotext.

Denn vorab für die Presse zu sehen war "Neue braune Welle" nicht. Was nur zum Teil daran liegt, dass die Filmemacher gestern immer noch an der Endfassung werkelten. Für die Sender wird es immer schwieriger, solche Stoffe mit großem Vorlauf zu bewerben: Zu groß ist nach ihrer Einschätzung die Gefahr, dass die Rechten über ihre Anwälte per einstweilige Verfügung die Ausstrahlung zu stoppen versuchen oder Änderungen in letzter Minute durchsetzen. "Das passiert sehr regelmäßig", heißt es beim ZDF. Die Szene sei sehr gut organisiert und reagiere "irre schnell - eine falsche Glatze im Bild", und das war`s.

Bei allem Respekt vor diesen Schwierigkeiten: Dass das ZDF eine so wichtige Auseinandersetzung mit den Gegnern des demokratischen Systems im tiefen Schwarz des Nachtprogramms versendet, ist indiskutabel; gerade jetzt, zu Wahlzeiten, wo für die Phrasen der etablierten Politik kein Sendeplatz zu schade scheint.

Die zuständige Redaktion hat immerhin eins durchgesetzt: In der ZDF-Mediathek soll "Die neue braune Welle" nicht erst nach, sondern schon weit vor der nächtlichen Erstausstrahlung zum Abruf bereit stehen. Den genauen Zeitpunkt will aus den oben beschriebenen Gründen niemand nennen. Aber wer am Mittwoch mal ein ganz anderes "Hallo Deutschland"-Erlebnis haben möchte und ab 17 Uhr in die Mediathek klickt, sollte belohnt werden.

"Die neue braune Welle", 27.8.09. 0:35 Uhr, ZDF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • G
    Greif

    Ich habe mir die Dokumentation gerade in der Mediathek angesehen, wo sie (wie angekündigt) jetzt schon drinsteht. Meiner Ansicht nach ist die ganze Dokumentation im großen und ganzen sehr gelungen, es bleibt für mich aber dennoch eine Frage offen: Inwiefern handelt es sich um Aufklärung der Schüler wenn man ihnen erklärt, woran sie Neonazis erkennen. Ich bin Saarländer, lebe also nocht wirklich in einem rechtsradikalen Kerngebiet, kann aber aus eigener Erfahrung sagen, dass diejenigen die diese Zahlencodes tragen sich auch anders sehr schnell zu erkennen geben.

     

    Interessant wäre es mal den Schülern im Unterricht die Konzepte National"demokratischer" Politik aufzulösen. Den Schüler also zu erklären, was sich hinter solch hübschen Begriffen wie "Raumorientierte Volkswirtschaft" oder "Polyethnologie" verbirgt.

     

    Solange unsere Aufklärung weiter darin besteht den Leuten zu sagen woran sie die Nazios erkennen, hält diese (gutgemeinte) Arbeit niemanden davon ab den Blödsinn zu glauben.

     

    An dieser Stelle empfehle ich dann noch den Vortrag von Dr. Peter Decker zu Faschismus und Antifaschismus, den man unter http://doku.argudiss.de/?Kategorie=RuD#279 anhören kann.

     

    solidarische Grüße

    Greif

  • R
    relivo

    das war wohl nix: in der mediathek ist das teil bis jetzt nicht zu finden. weicheier.....

  • W
    WissensBunker

    Die Doku ist online!

     

    Einfach in der Mediathek "Neue braune Welle" eingeben.

     

    Ich schau jetz...

  • T
    Thomas

    @zweierlei Mass

    Ach die Ärmsten im Osten. Wenn man nicht mit der braunen Brut in einem Topf geworfen werden will, dann muss man auch mal zeigen, dass der Osten auch anders kann. Wie ist es möglich, dass ein Haus eines dunkelhäutigen Politikers vom rechten Gesocks belagert wird?

    Bei uns in Hamburg schwerlich vorstellbar.

    Also liebe Ossis, wehrt euch gegen rechts!!!!

    Grüße aus Hamburg

  • BV
    Brian von Nazareth

    Ach was, das sind doch ganz harmlose deutsche Gesellen, die nur spielen wollen. Die lesen doch schon alle taz.

  • N
    Nordlicht

    Und wieder wird gehetzt, gehetzt und gehetzt. Und keiner kapiert was mit unserem Staat passiert. Die Banker speisen im Kanzleramt, die Dienstwagen fahren privat, Deutsche Soldaten für fremde Interessen im Einsatz, Getzte werden von (privat!) Kanzlein in England geschrieben, werteverfall, mildere Starfen für Migranten... Soll ich noch mehr audzählen damit es dämmert?? Leute informiert Euch und bohrt nicht nur an der oberfläche der Matrix!

  • B
    bichette

    ich sehe eine ganze reihe von medienmachern, die den nazi-terror gerne verschweigen und die von diesen als hilfskräfte gerne vereinnahmt werden. wenn eine aufklärende sendung nach 24 Uhr, der größte katzendreck aber zwischen 20.15 und 21.45 für die anspruchslosen zuschauer und zuhörer durchgewunken wird, dann sehe ich in den öffentlich-rechtlichen willige umsetzer von verdummungsstrategien, die mithelfen, aus unmündigen bewohnern des gebiets der brd eine armee von deppen zu machen, die dann einfältig auf die sprüche der nazis hereinfallen werden.

  • ZM
    Zweierlei Maß

    Wenn ein ZDF Korespondent 17 Millionne

    Menschen im zuge der No GO Area Debatte 2006 FußballWM zu Nazis erklärt ist das OK.

    Aber wenn das ZDF einen Menschen mit Haarausfall

    oder Ahnungslose Thüringer zu NAZIS diffamiert

    dann überreagieren die Betroffenen in der Sichtweise

    des ZDFs?

    Der braune Mob der am 1. Mai 2009 Hamburg terrorisierte

    bestand fast zur Gänze nur aus Reinland Pfälzer und

    Schleswig Hollsteiner.

    Kaum Hamburger

    Kaum SChweriner

    Kaum Sachsen

    Kaum Thüringer

    also was soll das Schubkastengeschwätz.

    Personalisiert die Debatte endlich!

    Wie soll man Schuldige zurechtweisen wenn

    durch Kollektivanklage Ost gegen West

    die Rattenfänger sich bequem aus dem

    Schußfeld ziehen können?

  • M
    mobai

    Was ist denn "eine falsche Glatze"? Bzw. was darf man über die Nazis im Fernsehen nicht sagen? Dass sie Nazis sind? Aber das sind sie ja nicht. -- Genausowenig wie Hitler den Krieg wollte.

  • S
    S.Ooker

    Die gesamte Programmplanung der öffentlich-rechtlichen ist HOCHNOT-peinlich.

    Ich würd denen nicht mal böse Absicht unterstellen, die setzen ihre Prioritäten einfach völlig falsch, erstmal schön die ganzen Omma-Serien raushauen (Verzeihung liebe Großmütter, nicht persönlich gemeint)

    und dann alles was gut ist ins Nachtprogramm. Der gesetzlich festgeschriebene BILDUNGSAUFTRAG scheint wohl reine Auslegungssache der Intendanten zu sein.

     

    Aufm ZDF laufen wirklich oft echt gute Sachen.. So ab 2.00 Nachts dann.

    Ich kann mich zudem noch dran erinnern - und das fand ich damals echt der Hammer - dass das ZDF damals für (wohl)viiel Geld die FREE-TV Premiere des damals neuen Batman-Films eingekauft hat, diesen Film NICHT BEWORBEN hat, und den.... um 23.00 (!) an einem Dienstag(!)-Abend verbraten musste. Da ist mir echt die Hutschnur hochgegangen bei so einer Verschwendung auch meiner Gebührengelder .

     

    Die von der GEZ sind so renitent, die schicken jedem potentiellen Nichtzahler mindestens fünf Briefe - wo bleibt mal der Fragebogen was sich der Zuschauer wünscht von den ÖR?? Warum haben wir Gebührenzahler kein Mitspracherecht wie's in jeder Aktiengesellschaft der Fall ist ??

     

    Hmm, ich seh gerad. 2.00 nachts.. Ma ZDF einschalten. Läuft bestimmt gerad was gutes :)

  • V
    vic

    Nachtschicht für das wirklich wichtige Thema in diesem Land.

    So kriegen das wieder nur jene zu Gesicht, die´s ohnehin wissen. Schade.

    Wohl dem der ein Aufzeichnungsgerät sein eigen nennt.