Doku „Adam und Ida“ in der ARD: Auf der Suche nach Heilung

Eine Doku begleitet die jüdischen Zwillinge Adam und Ida, die sich nach 53 Jahren Trennung endlich wiederfinden. Ein Happy End gibt es trotzdem nicht.

Ein Mann und eine Frau sitzen jeweils auf einem Stuhl nebeneinander.

Nach Jahren der Trennung treffen sich die Zwillinge Adam (links) und Ida in den USA wieder Foto: NDR/Hoferichter & Jacobs GmbH

„Ich wollte meine Familie finden. Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Und ich habe meine Belohnung bekommen.“ Das ist das Resümee von Ida Paluch am Beginn des einstündigen ­Dokumentarfilms „Adam und Ida – Die lange Suche der Zwillinge“, der die 53-jährige Odyssee der gleichnamigen Geschwister und Schoah-Überlebenden erzählt.

Zum ersten Mal in ihrem Leben erzählen sie in ausführlichen Interviews einem deutschen Filmteam ihre Lebensgeschichte, begleitet von privaten Film- und Fotoaufnahmen sowie aufwendig gestalteten Animationen im impressionistischen Stil, die subjektiv Adams und Idas persönliche Erinnerungen verbildlichen. Unter der Regie von Jan Tenhaven und Tilman Müller wird der schiere Kraftakt deutlich, den es für sie brauchte, um nach den erlittenen Verbrechen des Holocaust zu heilen. Dass dazu auch eine große Portion Glück nötig ist, zeigt die Geschichte der jüdischen Zwillinge Adam und Ida Paluch aber auch.

Nach dem Selbstmord ihrer Mutter im Ghetto von Sosnowiec in Polen werden Adam und Ida 1942 als Dreijährige von ihrer großen Schwester und voneinander getrennt.

Während Ida in Sosnowiec von einem polnisch-katholischen Ehepaar versteckt und adoptiert wird, hat Adam weniger Glück. Er überlebt das Konzentrationslager Majdanek nur knapp und wird erst nach dessen Befreiung ebenfalls adoptiert. Beide Kinder werden katholisch getauft, bekommen neue Namen und eine neue Tauf­urkunde mit falschem Geburtsdatum.

Nach Filmfestivals in Berlin, Schwerin, Durban, Edmonton und Chicago hat „Adam und Ida – Die lange Suche der Zwillinge“ am Sonntag um 23.35 Uhr seine TV-Premiere in der ARD.

Dass sie sich jemals wiederfinden könnten, scheint ausgeschlossen, denn nach den Erfahrungen von Majdanek hat Adam nur noch schemenhafte Erinnerungen an die Zeit vor der Befreiung des Konzentra­tionslagers. Die katholische Familie­, die ihn im Anschluss adoptiert, zeigt ihm keine Liebe und grenzt ihn als Juden aus. Immer wieder reißt er aus und sucht in ganz Polen nach Informationen, wer er ist. Vergeblich, denn ohne Kenntnis seines wirklichen Namens hat er keinen Anhaltspunkt, wonach er suchen soll.

Zweifel bleiben bis zuletzt

Aber er bleibt hartnäckig und heuert bei der polnischen Ozeanlinie an, um umsonst die Welt zu bereisen und vielleicht irgendwo jemanden zu finden, der ihm sagen kann, wer er ist. Doch auch nach seiner Rückkehr nach Polen fühlt sich Adam, als würde er in einer falschen Welt leben. Auch seine spätere Ehe, aus der drei Söhne hervorgehen, kann an diesem Gefühl nichts ändern. Er entschließt sich, über Annoncen in jüdischen Zeitungen nach Personen zu suchen, die ihm etwas über seine Herkunft berichten können.

Ida ergeht es derweil besser. Nach Kriegsende wird sie von ihrem leiblichen Vater bei der sie liebevoll aufziehenden katholischen Familie gefunden. Nach Startschwierigkeiten findet sie zurück in ihre jüdische Identität. Auf einer jüdischen Schule erfährt sie als Holocaust-Überlebende eine bevorzugte Behandlung durch ihre Lehrerinnen. Anders als Adam kann sie sich an den Tod ihrer Mutter und die Existenz ihrer beiden Geschwister erinnern. Das Wissen um die verlorenen Geschwister hinterlässt aber auch bei ihr eine Lücke, die sie nicht füllen kann. Auch sie fängt an, nach ihnen zu suchen. Ihre Suche treibt sie über Israel in die USA. 53 Jahre nach ihrer Trennung, im Jahr 1995, meint Ida ihren Bruder hinter einer Zeitungsannonce zu erkennen und kontaktiert ihn.

Mit den formal strengen Erzähltechniken und den zwei einnehmenden Charakteren Adam und Ida gelingt es der Dokumentation, den mühsamen Heilungsprozess vom Grauen des Holocaust im anrührenden Miteinander der schließlich wiedervereinten Zwillinge zu zeigen.

Ein Happy End ist es aber nicht. Adam hat für Ida seine Familie in Polen zurückgelassen und ist in die USA gezogen. Dort fällt es ihm schwer, sich einzufinden. Und es bleiben bis zuletzt Zweifel, ob Adam wirklich Adam ist. Und wie zur Mahnung bleibt stets ein dritter Stuhl während der Interviews im Hintergrund unbesetzt. Das Schicksal ihrer großen Schwester ist nach wie vor im Dunkeln.

Der Film schafft es, eine enorme emotionale Spannweite zu entfalten und verdeutlicht das Schicksal vieler anhand zweier Überlebender des Holocaust, von denen es nicht mehr viele gibt.

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