: Dohnanyi spielt auf Zeit
■ Der Hamburger Senat will mit den Besetzern der Hafenstraße verhandeln / Wiederbesetzung soll vorerst nicht geahndet werden
Aus Hamburg Kai von Appen
Die besetzten Häuser in der St. Pauli Hafenstraße werden zum jetzigen Zeitpunkt nicht geräumt. Das teilte Hamburgs Bürgermeister Klaus von Dohnanyi gestern im Anschluß an eine „Krisensitzung“ des Senats mit. Der Senat sehe zwar in der Wiederbesetzung bereits geräumter Wohnungen und der Verbarrikadierung der Häuser eine strafbare Handlung. Dennoch wolle die Stadtregierung durch einen Polizeieinsatz eine mögliche friedliche Verhandlungslösung nicht gefährden. Gleichzeitig forderte der Senatsvorsteher die BewohnerInnen der Hafenstraße auf, „unverzüglich“ eine Verhandlungskommission zu benennen, die mit dem Senat die „Eckpunkte einer Vereinbarung“ bis Ende August aushandelt. Dohnanyi begründete diesen Schachzug damit, er habe in der Vergangenheit den Eindruck gewonnen, die Gesprächspartner in Sachen Hafenstraße hätten niemals das eindeutige Mandat der BewohnerInnen gehabt. Er wolle jetzt mit einer Person oder Gruppe Gespräche führen, die „verbindlich über eine Lösung verhandeln“ könne und als ein zige Voraussetzung „gewaltloses und rechtsstaatliches Verhalten der Bewohner zur Grundlage hat“. Angesprochen auf das vom „Komitee zur Verteidigung der Hafenstraße“ vorgelegte Stiftungsmodell meinte Dohnanyi: „Dieses Modell hat eine Menge akzeptabler Komplexe, aber auch Punkte, die weiter verhandelt werden müssen“. Auf die Forderung der Hafensträßler, die mit der Wiederbesetzung eine „Garantie für den Erhalt der Häuser und eine Rückgabe der Räumungstitel“ erzwingen wollen, will der Senat im Hinblick auf ein mögliches Scheitern der Gepräche nicht eingehen. Dohnanyi: „Sollte sich bis Ende August eine Verhandlungslösung nicht als möglich erweisen, wird es eine solche danach nicht mehr geben können.“ Im Klartext: Räumung und Abriß. Die Hafensträßler, deren Häuser einer Festung gleichen, wollten sich gestern mit dem Senatsbeschluß befassen. Vorzeit und neue Zeit Ein schmaler rauher Pfad schien sonst die Erde, Und auf den Bergen glänzt der Himmel über ihr, Ein Abgrund ihr zur Seite war die Hölle, Und Pfade führten in den Himmel und zur Hölle. Doch alles ist ganz anders nun geworden, Der Himmel ist gestürzt, der Abgrund ausgefüllt, Und mit Vernunft bedeckt, und sehr bequem zu gehen. Des Glaubens Höhen sind nun demolieret, Und auf der flachen Erde schreitet der Verstand, Und misset alles aus, nach Klafter und nach Schuhen. Karoline von Günderrode
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen