Disney+-Serie über Auschwitz-Prozesse: Täter bleiben Täter
Die Serie „Deutsches Haus“ thematisiert die Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Doch sie gerät dabei leider in den Strudel deutscher „Wiedergutwerdung“.
„Was habt Ihr getan?“ prangt auf den Plakaten, die die neue Disney+-Miniserie „Deutsches Haus“ bewerben. Sie basiert auf dem gleichnamigen Roman von Annette Hess aus dem Jahr 2018. Eva, die Hauptfigur, ist Polnisch-Übersetzerin und beginnt durch einen Zufall für die Staatsanwaltschaft in den Frankfurter Auschwitz-Prozessen von 1963 zu dolmetschen. Man begleitet Eva auf ihrer Reise, in der sie von der naiven Nichtwisserin Stück für Stück Bewusstsein über die mörderischen Verbrechen von Auschwitz und ihre familiäre Verstrickung erlangt. Eva bietet dem Publikum zweiter und dritter Generation von Täter*innennachfahr*innen jede Menge Identifikationspotenzial.
„Deutsches Haus“, fünf Folgen auf Disney+
Damit ist die Serie exemplarisch für den Stand erinnerungskultureller Debatten in Deutschland. Die Zuschauer*innen fiebern mit Eva mit – wie bereits mit Sophie Scholl beim Instagram-Projekt „ichbinsophiescholl“ von WDR und BR. Eva, diese emanzipierte, mutige Frau, die die Schuld der Eltern und der Gesellschaft lüftet und damit umgehen lernen muss.
Die Serie ist, mit etwas Abstand und viel Kontextualisierung, wichtig, um die Beschäftigung mit den Frankfurter Auschwitz-Prozessen wieder mehr in die Öffentlichkeit zu rücken. Auch die schauspielerische Leistung von Aaron Altaras, der einen jüdischen Remigranten und Referendar spielt, ist ein Lichtblick der Serie.
Bei all der Grausamkeit und dem eigentlichen Thema, nämlich der Anklage nationalsozialistischer Täter, löst diese Figur viele Fragen aus. Seine Familie hatte aus dem Deutschen Reich ins rettende Exil flüchten können, doch als Reaktion auf die ihn plagenden Schuldgefühle bildet er sich einen Bruder ein, der zum Opfer wurde. Nach der Auflösung, die auf einen Ortstermin in Auschwitz folgt, schlägt er sich den Kopf an einer Wand blutig und verschwindet im polnischen Wald. Nicht jedoch, ohne zuvor, und hier wird aus der Beschäftigung mit den Auschwitz-Prozessen plötzlich eine schnulzige Alpenromanze, mit der Dolmetscherin Eva „das Einzige“ zu tun, „was man dem allen vielleicht entgegensetzen kann: Sie liebten sich“ – so zumindest in der Buchvorlage.
Evas Kampf gegen die Verdrängung
Während der Premiere erklärte mir eine Regisseurin die technische Umsetzung einer zentralen Szene. Bei der Anklageverlesung nimmt die Kamera den Anklagevertreter seitlich in den Blick. Die Kameraeinstellung lässt die Zuschauenden das Profil des Mannes sehen. Dadurch wird die Empathie und Menschlichkeit in diesem Augenblick verstärkt. Die Regisseurin betonte: „Wir sollen auf seiner Seite sein, zitternd, sich versprechend, im Schock, anklagend.“ Während der Aufzählung grausamer Verbrechen unterbricht er immer wieder, nimmt einen Schluck Wasser zu sich. Doch er schaut nicht in die Kamera. Er schaut von den Zuschauer*innen weg. Dieser Blickwinkel distanziert. Interpretieren könnte man das als: Nicht ihr seid schuld, sondern die da, die „Monster“ auf der Anklagebank.
Dabei hatte Hannah Arendt doch schon bemerkt: „Wie monströs die Taten auch waren, der Täter war weder monströs noch dämonisch“. Das eigentlich „Monströse“ ist die Normalität dieser Täter. Durchbrochen werden soll das wohl durch Evas Familie, die selbst zum Betrieb des Lagers beigetragen hat. Doch fühlen die Zuschauer*innen mit Eva – und sie kämpft schließlich gegen die Verdrängung an.
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer wollte einen Querschnitt des Lagerpersonals in den Auschwitz-Prozessen vor Gericht bringen. Der Prozess sollte sinnbildlich zeigen, wie die gesamte deutsche Gesellschaft involviert und sich dementsprechend schuldig gemacht hatte. Doch es geschah das Gegenteil. Der Prozess wurde missbraucht, um die juristische Auseinandersetzung für beendet zu erklären. Auch die Serie tritt an, um aufzuklären – und gerät doch in den Strudel deutscher „Wiedergutwerdung“.
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