Diskussion um Konjunkturpaket: Alle spielen Finanzminister
Noch sträuben sich Merkel und Steinbrück gegen weitere Maßnahmen. Doch der Druck wächst, auch aus den eigenen Reihen: SPD-Linke will 50 Milliarden, Schavan möchte Unis aufmöbeln.
Mit dem in der letzten Woche beschlossenen Konjunkturpaket sollen 2009 und 2010 durch gezielte Maßnahmen der öffentlichen Hand Investitionen und Aufträge von Unternehmen, Privatleuten und Kommunen im Volumen von rund 50 Milliarden Euro angeschoben werden. In den nächsten zwei Jahren sollen dafür rund 11 Milliarden Euro aus öffentlichen Haushalten fließen. Größte Posten sind zusätzliche Verkehrsinvestitionen, großzügigere Abschreibungsregeln für Unternehmen und die Kfz-Steuerbefreiung für Neuwagenkäufer. Hinzu kommen die etwa 20 Milliarden Euro Entlastungsvolumen für Familien und Unternehmen. Die Bundesregierung spricht von einem Gesamtvolumen von 31 Milliarden Euro. Kritiker bemängeln allerdings, dass viele der Maßnahmen lange vor der Finanzkrise beschlossen worden waren und Teile des Geldes erst nach 2009 investiert werden - dem Jahr, in dem die Finanzkrise am ärgsten sein dürfte. DPA, VM
Der Termin war eigentlich als Beruhigungspille gedacht. Am 5. Januar, so verlautete schon vor Tagen aus dem Umfeld von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), komme doch der Koalitionsausschuss zusammen. Dann werde man die wirtschaftliche Situation noch mal überprüfen. Bis dahin sollten sich bitte schön all jene mit weiteren Wünschen zurückhalten, die das Konjunkturpaket der Bundesregierung für viel zu mickrig halten.
Nur hält momentan überhaupt gar niemand still. Stattdessen wirkt der Termin im Januar wie eine Abgabefrist: Politiker jeder Couleur scheinen bis dahin ihre Wünsche unterbringen zu wollen, wie man die Konjunktur mit zusätzlichen Milliarden stimulieren soll. Die CSU will die Steuern senken, in der SPD gibt es die Idee, alle Deutschen mit Konsumgutscheinen in Höhe von 500 Euro zu beglücken.
Inzwischen preschen einige Linke in der SPD-Bundestagsfraktion mit einer neuen Forderung vor. In einer Erklärung, die am Freitag im Plenum abgegeben wurde, verlangen acht Abgeordnete einen auf 10 Jahre angelegten Konjunkturpakt. Volumen: 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - rund 50 Milliarden Euro. Indirekter Adressat: ihr eigener Finanzminister. Steinbrück, so raunen immer mehr Linke in der Partei, sei "viel zu merkelig" und müsse sich endlich von der Sturheit der Kanzlerin absetzen. Bis Sonntag hatten bereits 15 weitere Kollegen das Papier unterzeichnet.
Darin wird vorgeschlagen, die Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, in Bildungseinrichtungen massiv zu investieren und die Verkehrsinfrastruktur auszubauen. "Außerdem sind alle weiteren Privatisierungsvorhaben auf allen politischen Ebenen zu stoppen", heißt es weiter. Im Gegenzug sollten Steueroasen geschlossen, soll der Spitzensteuersatz angehoben und die Vermögensteuer wieder eingeführt werden. "Wir wollen damit die Diskussion vorantreiben", sagt der SPD-Abgeordnete Klaus Barthel, einer der Initiatoren, der taz. "Je länger wir mit weiteren Schritten warten, desto höher werden die Kosten."
Wie viele Koalitionspolitiker beklagt auch Barthel, dass das erste Bündel der Regierung nicht das hält, was es verspricht. Das Paket habe keinesfalls ein Volumen von rund 31 Milliarden Euro, wie von Merkel stets behauptet wird. Es sei auch mitnichten das zweitgrößte in Europa. Die meisten Maßnahmen, wie die Erhöhung des Kindergelds oder die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung, seien schon vor der Finanzkrise geplant gewesen oder liefen über mehrere Jahre. Rechne man diese heraus, blieben kaum mehr als 4 Milliarden Euro an staatlichen Mehrausgaben. "Das geht in die richtige Richtung, ist aber völlig unzureichend", so der Arbeitsmarktexperte.
Auch in den Unionsparteien gehen die Überlegungen inzwischen weit über den Lieblingswunsch der CSU hinaus, durch Steuersenkungen die Bürger zu entlasten und so den Konsum anzukurbeln. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) schlug am Wochenende in der Süddeutschen Zeitung vor, Milliarden zu investieren, um Schulen und Hochschulen zu modernisieren. Bund, Länder und Kommunen sollten dafür 4,6 Milliarden Euro bereitstellen. Im Schnitt wären das 100.000 Euro für jede Schule und 500.000 für jede Hochschule. "Das hilft dem heimischen Handwerk. Es fördert den Handel, es fördert moderne Energietechnik, und es hilft so auch noch dem Klima", begründete die Ministerin ihren Vorstoß.
Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) will wiederum die einheitlichen Krankenkassenbeiträge senken, um die Bürger zu entlasten. "Wir könnten die staatlichen Zuschüsse für den Gesundheitsfonds im nächsten Jahr von 4 auf 14 Milliarden Euro erhöhen", sagte er der BamS. Mit seinem neuesten Vorschlag gab der Merkel-Kritiker vor, wie die Christsozialen mit ihrer Schwesterpartei und der Kanzlerin in den nächsten Tagen umzugehen gedenken: Der Druck wird weiter erhöht. Entsprechend will der CSU-Vorstand in seiner Sitzung am Montag beschließen, noch vor der Koalitionsrunde am 5. Januar eine Einigung mit der CDU zu suchen - und zwar auf dauerhafte Steuersenkungen.
Zumindest Steinbrück gibt sich gegenüber einem zweiten Konjunkturprogramm angesichts der zahlreichen Forderungen nicht mehr ganz so skeptisch - so unabgestimmt und unvereinbar die Ideen auch sein mögen. Für die Sitzung im Januar sei zwar nicht mit Ergebnissen zu rechnen, so Steinbrück am Sonntag, spätere Initiativen schloss er aber nicht aus. "Es kann zu einer Kreditklemme kommen, und dann wird man handeln müssen", gab er sich konziliant. Nur auf eines sollte sich niemand freuen: auf die von den eigenen Genossen ins Spiel gebrachten Konsumgutscheine. "Glauben Sie nicht daran. Machen Sie es so vor Weihnachten, wie Sie es letztes Jahr gemacht haben", riet er: "Geben Sie Ihr Geld aus!"
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