Diskussion um 96-Trainer: Probleme beim Zusammenhalt
Nach dem 1:1 gegen den VfB Stuttgart gibt's bei Hannover 96 Querelen um Trainer Tayfun Korkut und Kritik an Präsident Martin Kind.
HANNOVER taz | Den Ernst der Lage in möglichst nichtssagende Worte fassen, bleibt für ihn ein gefährliches Spiel. „Ich werde ganz ruhig weiterarbeiten“, sagt jener Trainer, dessen Zukunft bei Hannover 96 gefährdet ist. Tayfun Korkut hat mit seinem Team in der Rückrunde der Fußball-Bundesliga noch keinen Sieg vollbracht und redet diese Krise trotzdem so klein wie möglich.
Die Niedersachsen rutschen in der Tabelle immer weiter in Richtung Abstiegsränge ab. Sie treffen in den nächsten drei Spielen ausgerechnet auf Bayern München, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund. „Wichtig ist, dass wir die Situation annehmen“, sagte Korkut nach einem mageren 1:1 (0:0) im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart. Es war eine Darbietung, die wenig Mut machte und die ersten „Korkut raus“-Rufe provozierte.
Einem jungen Trainer, der seine erste Saison in der Bundesliga voll und ganz verantworten darf, muss der eine oder andere Fehler zugestanden werden. Der 40 Jahre alte Korkut war Ende 2013 äußerst schwungvoll gestartet und hat sich schnell einen Namen als Taktiker und Tüftler gemacht. Seine Gabe, die eigene Mannschaft mitzureißen, scheint aber an Grenzen zu stoßen.
Die Stimmung in Hannover richtet sich nicht nur gegen Präsident Martin Kind, sondern immer mehr auch gegen Korkut. „Es gibt ein paar Querelen. Das kriegt die Mannschaft auch mit“, gesteht Abwehrspieler Christian Schulz.
Gerade einmal fünf Minuten nach Spielbeginn hatte jener unverbesserliche Teil der Fans, der sich mit der Vereinsführung verkracht hat, wieder einmal die üblichen „Kind muss weg“-Rufe angestimmt. Die traurigen Sprechgesänge finden selbst dann ihre Fortsetzung, wenn das verunsicherte 96-Team Unterstützung von den Rängen gut gebrauchen könnte.
„Es wäre schön, wenn wir die Menschen da draußen wieder auf unsere Seite ziehen können. Hannover 96 steht doch für Zusammenhalt“, sagt Mittelfelddribbler Leonardo Bittencourt.
Das Heimspiel gegen den Tabellenletzten aus Stuttgart galt als erstklassige Gelegenheit für einen sehnsüchtig erhofften Stimmungsumschwung. Der Appell an die Zuschauer, sich an einem besseren Miteinander zu beteiligen, war vor der Partie laut und deutlich ausgesprochen worden. Nach dem Remis am 23. Spieltag bleibt dummerweise festzuhalten, dass alle Beteiligten eine große Chance ungenutzt gelassen haben.
Auch die Mannschaft verpasste es vor 40.200 Zuschauern, die vor allem von der 1. Halbzeit enttäuscht waren, ein deutliches Zeichen zu setzen. Dem 0:1-Rückstand durch ein Tor des Stuttgarter Kapitän Christian Gentner (52. Minute) konnte nur der Ausgleich von Lars Stindl (70.) entgegengesetzt werden. In der hektischen Schlussphase verlor so mancher Aktive den Überblick, als mehr geschubst und gepöbelt als gespielt wurde.
Kapitän Stindl sah nach einem Kollektivstreit der beiden Teams kurz vor dem Abpfiff die Gelbe Karte. Sein Rivale Martin Harnik musste nach einer Roten Karte ebenfalls vorzeitig das Spielfeld verlassen. Wer mochte, konnte sich in diesen Augenblicken damit trösten, dass ein insgesamt trauriges Spiel doch noch Unterhaltungswert besaß.
Stimmung und Leistungen schlecht, Mannschaft verunsichert, Trainer unter Zugzwang: Konstellationen wie diese werden im bezahlten Sport gerne als Negativspirale bezeichnet. Es gehört zu den üblichen Mechanismen, dass die Debatten über eine mögliche Entlassung von Korkut einsetzen, obwohl Hannover 96 immerhin noch Tabellenelfter ist.
Sportdirektor Dirk Dufner erklärte in bemerkenswert offener Manier, wie sich die Situation aus seiner Sicht darstellt. Korkut genieße das volle Vertrauen der Vereinsführung und könne sich seines Arbeitsplatz sicher sein – und zwar genau so lange, bis er entlassen werde.
Eine solche Form von Wasserstandsmeldung hört man bei krisengeschüttelten Vereinen eher selten. Was Dufner zu sagen hat, war einerseits ziemlich uncharmant und andererseits erstaunlich ehrlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour