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Diskreter Charme von Sack und Asche

■ Herrensakkos aus biologisch angebautem Flachs, pflanzlich gefärbte Seidenblusen: Naturtextilien werden immer eleganter

Berlin. Ganz von ferne erinnert das ärmellose Oberteil mit dem runden Ausschnitt an eine Jutetasche mit aufgenähter Knopfleiste. Sind 119 Mark dafür nicht doch ein bißchen viel? Bei näherem Hinsehen offenbart sich jedoch der diskrete Charme der unaufdringlichen hellbraunen Farbe und des weichen Stoffs aus Baumwolle und Seide. Erschöpfte sich das Angebot an Naturtextilien vor wenigen Jahren noch in rein wollenen Liebestötern und freudlosen T-Shirts aus ungefärbter Baumwolle, achten die Hersteller giftfreier Kleidung jetzt immer mehr auf Eleganz. Dabei kommt ihnen der Modetrend dieser Saison entgegen. „Sack und Asche ist modern“, erklärt bündig Ingrid Normann- Kühl, Inhaberin des Naturmoden- Geschäfts „Viva Verde“.

Freilich sieht die aktuelle Mode der meisten Kleiderhersteller nur „natürlich“ aus mit ihren Beige- und Brauntönen oder Blumenmustern. Die Stoffe bestehen zwar aus Naturfasern, werden aber auf vielfältige Weise chemisch behandelt. Mehr als 15.000 chemische Substanzen, so ein Bericht der Zeitschrift Ökotest, werden in Deutschland bei der Verarbeitung von Textilien verwendet. Gefärbt wird oft mit Farben auf Benzidinbasis, die als krebserregend gelten. Gesundheitsschädliche Stoffe wie Formaldehyd und Glyoxal machen Baumwolle formstabil und knitterfest. Um Schafswolle schon vor der Schur von Ungeziefer zu befreien, werden die Tiere durch Pestizidbäder geschleust. Und Baumwollfelder werden kurz vor der Ernte mit dem Entlaubungsmittel Agent Orange besprüht.

Immer mehr Kleiderfirmen, zum Beispiel Rakattl, Livingcraft und Kekko/Steilmann, produzieren dagegen umweltfreundliche Mode. Sie verarbeiten Stoffe aus handgepflückter Baumwolle, die entweder gar nicht oder mit Pflanzenfarben gefärbt wird – oder zumindest in umweltschonenden Verfahren, die bis zu siebzig Prozent der Farben einsparen. Vor einem Jahr präsentierte Esprit seine „e-collection“: die Baumwolle, aus der die schlicht geschnittenen Blusen, Hosen und Blazer bestehen, stammt von biologisch bebauten Feldern und ist völlig unbehandelt. In dieser Saison ist der Reinheitswille nicht mehr ganz so groß: Die Kollektion wird um Jeanshosen und -jacken in Blau erweitert. „Wir verwenden dafür aber ein umweltfreundliches Verfahren, das mit Kaltwasser funktioniert“, versichert Gabi Pleus von der Düsseldorfer Firmenzentrale.

Seit zwei Jahren verkauft Greenpeace T-Shirts und Sweatshirts aus pestizidfrei erzeugter Baumwolle. In diesem Frühjahr folgt auch Greenpeace dem Trend zur Eleganz und bietet ein klassisch geschnittenes Leinensakko und eine hüftlange Damenjacke mit abgerundetem Revers und Bindegürtel an, beide in Beige für je 350 Mark. „Der Flachs, aus dem das Leinen gesponnen ist, stammt von schleswig-holsteinischen Biobauern“, erklärt Regine Rascher- Friesenhausen vom Greenpeace- Umweltschutzverlag.

Akribisch dokumentiert Greenpeace den Werdegang seiner Textilien, von der Herkunft der Rohstoffe über alle Produktionsstufen bis zum fertigen Produkt. Die T- Shirts beispielsweise werden mit Hitze und Dampf statt mit Chemikalien gegen Einlaufen geschützt und mit lösungsmittelfreien Farben bedruckt, die ebenfalls mechanisch fixiert werden. Außerhalb des Greenpeace-Ladens haben die Kunden zwar bislang kaum Möglichkeiten, sich über Herkunft und Verarbeitung ihrer Kleidungsstücke zu informieren. Noch in diesem Jahr soll jedoch ein Etikett zur Kennzeichnung haut- und umweltfreundlicher Textilien eingeführt werden, das Grenzwerte für Schwermetalle, Pestizide und Formaldehyd festlegt. Zur Zeit wird es vom Patentamt geprüft.

Zwar ist die Öko-Mode immer noch um einiges teurer als konventionell produzierte Kleidung. Ein Ringel-T-Shirt aus beiger und brauner Baumwolle beispielsweise kostet bei Esprit 99 Mark, bei Greenpeace – wo das Gewebe etwas dünner ist – immerhin noch 39 Mark. Trotzdem erreicht der Trend einen immer größeren Kundenkreis, meint Frau Normann- Kühl: „Früher dachten die Leute, wenn sie morgens kein Müsli essen, haben sie in dem Laden hier nichts zu suchen. Und das hat sich völlig geändert.“ Miriam Hoffmeyer

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