piwik no script img

Dirk Knipphals über die FDP als KlientelparteiDie libertären Posterboys

Wie lautete noch mal die Zahl, die Guido Westerwelle stolz auf seinen Schuhsohlen präsentierte, als er einmal tatsächlich als Kanzlerkandidat der FDP auftrat? Eine 18 war’s. So viel Prozent wollte der damalige Parteivorsitzende bei der Bundestagswahl 2002 holen.

Lange her. Gegenwärtig kämpft sein Nachfolger Christian Lindner mal wieder mit der Fünfprozenthürde und um sein eigenes politisches Überleben. Doch so sehr Lindners Satz, man solle in Deutschland „ein kleines bisschen mehr Milei und Musk wagen“, gerade in linken Kreisen für Empörung sorgt: vorfreudig abschreiben sollte man die Liberalen noch nicht. Lindner spekuliert vielmehr darauf, die Fans disruptiver Politik um sich zu versammeln – gegen den Gemeinsinn, freie Fahrt für freie Bürger. Und das könnte aus seiner Sicht klappen, vorausgesetzt die FDP übersteht die aktuelle Krise.

Den Kampf um die Zweistelligkeit hat Lindner sowieso längst aufgegeben. Die FDP kämpft als Klientelpartei. Das heißt aber, selbst wenn 94 Prozent aller Wäh­le­r*in­nen jetzt empört aufschreien (real werden es weniger sein), kann Lindner das egal sein. Ihm reichen die verbliebenen 6 Prozent, die sich umso entschlossener um die FDP scharen.

Die FPD hat das strukturelle Problem, dass alles, was gut am Liberalismus ist, längst in die Gesellschaft und die anderen Parteien eingewandert ist: der Kampf um Menschenrechte sowie die Emanzipation von den Autoritäten wie Staat, Kirche und Traditionen. Bei der FDP bleibt hängen, was fragwürdig am Liberalismus ist: ein Menschenbild, das den Einzelnen nicht als sozial Gewordenen begreift; Ablehnung von gesellschaftlichen Aushandelsprozessen; Recht des Stärkeren. Kurz, genau das, wofür der argentinische Präsident Javier Milei und der Tech-Milliardär Elon Musk stehen.

Sie als radikalreformerische Posterboys hinzustellen, bedeutet vor allem dies: Der Wahlkampf um disruptive Politik ist jetzt eröffnet. Es wäre für linke und linksliberale Menschen unklug zu glauben, dass sie ihn von vornherein gewonnen haben.

inland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen